Bittere Sünde (German Edition)
sich jeden Tag gegen vier mit einer anderen Hilfspflegerin trifft, um heimlich hinter dem Haus zu rauchen. Sie wollten gerade wieder reingehen, als die Frau herauskam.«
Arne verzog das Gesicht und zuckte mit den Achseln. »Das heißt ja noch lange nicht, dass sie die Täterin sein muss. Frauen sind selten so brutal.«
Sein Blick fiel unbewusst auf Sofie, die verlegen auf den Tisch schaute.
»Dann war’s das wohl für heute, schätze ich.« Arne schob den Stuhl zurück und erhob sich. Sofie begleitete ihn aus dem Konferenzraum hinaus.
Magnus sah Roger an. »Wollen wir nach Flaxenvik fahren und uns diesen Hof mal genauer ansehen?«
Roger nickte.
10
Linn setzte Kaffee auf. Sie trank nie mehr als ein paar Schlucke, weil sie den Geschmack nicht mochte, aber ihr gefiel das Geräusch der Kaffeemaschine. Das Gurgeln und Blubbern hatte etwas Beruhigendes, und noch dazu duftete es gut. Sonderbarerweise hatte während der Schwangerschaft just dieser Geruch Brechreiz bei ihr ausgelöst. Im Moment schliefen die Kinder in ihren Zimmern, erschöpft von der Erkältung.
Linn setzte sich an den Rechner und entspannte sich. Während sie nach Jobangeboten für Therapeuten suchte, nippte sie vorsichtig an dem heißen Getränk. Sie hatte zwar eine Stelle als kognitive Verhaltenstherapeutin am Krankenhaus Huddinge, doch mit zwei Dreijährigen konnte sie unmöglich Vollzeit arbeiten. Außerdem war sie all die deprimierenden Patienten leid, die immerzu weinten, weil sich sie so schlecht fühlten. Dabei hatten die meisten geradezu lächerliche Probleme, die nicht mal die Bezeichnung »Problem« verdienten und die sie durchaus auch ohne ihre Hilfe hätten bewältigen können. Am schlimmsten fand sie die überambitionierten Mütter, die darüber heulten, dass es ihnen nicht gelungen war, rechtzeitig Apfelmus aus allem Fallobst zu kochen, oder dass sie es nicht geschafft hatten, eigene Karnevalskostüme für ihre Kinder zu nähen. Diese Leute machten sie wahnsinnig.
Sie und Magnus wünschten sich nichts sehnlicher, als Zeit miteinander zu verbringen, doch die Tage verflogen immer so schnell. Wenn sie darüber nachdachte, wie wenige Stunden sie eigentlich mit den Kindern oder allein hatten, sank ihre Stimmung in den Keller.
Sie nahm noch einen Schluck von dem bitteren Kaffee, und schon waren ihre Gedanken wieder bei dem makabren Fall, an dem Magnus gerade arbeitete.
Warum hatte der Täter kochendes Wasser über seine Opfer geschüttet?
Wie gern würde sie einen Blick auf die Ermittlungsunterlagen werfen, besonders auf die Bilder. Dann wäre das Ganze vielleicht weniger bizarr und besser zu begreifen. Magnus hatte natürlich schon einiges erzählt, doch ein Bild war noch viel aussagekräftiger. In einem Punkt war sie sich aber sicher: Wer immer das getan hatte, hatte ein besonderes Verhältnis zu kochendem Wasser. Die Verbrühungen waren kein zufälliges Nebenprodukt. Sie beugte sich über ihre Kaffeetasse und murmelte: »Verbrühen … das Geschlecht vernichten.«
Geht es dir um die Sexualität deiner Opfer? Willst du ihre Sexualität auslöschen? Aber warum ausgerechnet bei einer alten Frau und einem Mann mit leichter Behinderung? Irgendetwas passt nicht …
Das ärgerliche Klingeln ihres Handys unterbrach sie. Sie sah, dass es Magnus war, und ging sofort dran. »Hallo.«
»Hallo, ich bin’s. Wie läuft’s?«
»Gut, Moa und Elin schlafen gerade.«
»Ich wollte dir nur schnell sagen, dass ich heute wahrscheinlich etwas später nach Hause komme. Roger und ich müssen noch einmal nach Åkersberga.«
Sie verzog enttäuscht das Gesicht und war froh, dass er sie nicht sehen konnte. »Und was macht ihr da?«, fragte sie.
»Wir müssen einen stillgelegten Hof überprüfen, der ein bisschen außerhalb liegt.«
»Wann bist du dann schätzungsweise zu Hause?«
»Um sieben, spätestens halb acht. Also rechtzeitig, um Moa und Elin mit ins Bett zu bringen.«
»Alles klar, dann mach’s gut.«
»Du auch.«
Linn starrte durch das Küchenfenster. Sie wusste ja, dass Magnus sein Möglichstes tat, um früh Feierabend zu machen. Doch gerade jetzt, wo die Kinder krank waren, traf es sie doppelt hart, wenn er später kam.
Und ganz plötzlich tauchte in ihrer Erinnerung die Szene auf, wie sie sich kennengelernt hatten. Es war in dem Krankenhaus gewesen, wo sie damals ihr Praktikum absolvierte. Sie hatte über ihr Tablett gebeugt in der Kantine gesessen, als er plötzlich vor ihr stand, dieser Riese mit der leicht gekrümmten Haltung. Ist
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