Bittere Sünde (German Edition)
Wohnzimmer.«
123
Linn hatte bereits die halbe Strecke zurückgelegt, als ihr Handy klingelte. Sie kramte in der roten Stofftasche, die auf dem Beifahrersitz lag, während sie gleichzeitig den Blick nicht von der Fahrbahn nahm. Papier, Stifte, alte Belege, eine schwarze Strickjacke und ein paar Legosteine machten es unmöglich, rechtzeitig an das Telefon zu gelangen. Sie hoffte inständig, dass Magnus versucht hatte, anzurufen, und war deshalb richtiggehend enttäuscht, als das Display Arne Normans Nummer anzeigte.
»Verdammt!« Sie steckte das Handy in den Getränkehalter auf der Mittelkonsole und erhöhte die Geschwindigkeit. Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren. Magnus würde auf gar keinen Fall seinen Job wegen einem ihrer Einfälle verlieren, so viel war klar. Er konnte liebend gerne von selbst den Polizeijob an den Nagel hängen. Aber er sollte niemals die Möglichkeit bekommen, ihr in irgendeinem schwermütigen Moment seine ruinierte Polizeikarriere vorwerfen zu können.
Das Telefon piepste. Arne hatte also eine Nachricht hinterlassen.
124
Auf der Schwelle zum lupenreinen, weißen Wohnzimmer begriff Magnus, was vor sich ging, doch da war es bereits zu spät. Eine Spritze drang zwischen seinen Schulterblättern ein, und das Mittel wirkte sofort. Magnus verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Knie. Schmerz schoss ihm wie Pfeile durch Arme und Beine. Kurz wurde ihm schwarz vor Augen, dann legte sich ein Schleier über alles. Wie in einem verschwommenen Traum erkannte er, wie jemand auf ihn zukam, sich zu ihm hockte und ihn betrachtete. Jetzt war er das wehrlose Tier. Verzweifelt versuchte er, sich zu bewegen. Er wollte die Arme heben, doch sie gehorchten ihm nicht. Vergeblich griff er nach der Spritze, die noch immer wie eine wippende Feder in seinem Rücken steckte.
Er wedelte und tastete ungeschickt mit den Händen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Er musste aufstehen, hoch und sich wehren, doch sein Körper streikte. Bald brach er zusammen und landete weich auf dem weißen Teppich, rollte sich zusammen wie ein Embryo.
125
Roger saß zusammengesunken auf einem Stein und starrte mit leerem Blick in den Schneematsch. Im grellen Licht der Arbeitsscheinwerfer strahlte der Schnee wie in einem Märchenfilm. Roger war müde und emotional angeschlagen, aber immerhin hatte er schon die Kriminaltechniker rufen können, die bereits mit voller Kraft zugange waren.
»Wo ist Sofie?« Arne warf die Autotür zur. Seine Stimme klang viel nervöser, als ihm lieb war.
»Ich habe sie nach Hause geschickt, sie steht unter Schock.«
»Hat sie jemanden, der sich um sie kümmert?«
»Sie wollte ihre Mutter verständigen, glaube ich.«
Roger fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Erst jetzt konnte man sehen, dass er am ganzen Körper zitterte.
»Und wie geht es dir?«, fragte Arne.
»Nicht gut. Das ist mit Abstand das Schlimmste, was ich je gesehen habe.«
»Wie genau sieht es denn aus?« Arne schaute zur hell erleuchteten Hütte hinüber.
»Tja, was soll ich sagen? Wir haben es mit einem völlig kranken Typen zu tun. Die ganze Hütte ist mit Folie ausgelegt, alles. Die Wände, der Boden, die Möbel, der Tisch, auf dem sie liegt. Außerdem befinden sich eine ganze Menge Messer da drin … Und eine Fonduegabel. Die Kriminaltechniker kümmern sich um alles.«
»Sie? Gunvor Berggren?«
»Ja, sie ist gefesselt, nackt und wurde verbrüht.«
»Noch mal?«
»Ja, diesmal mit mehr Sorgfalt, wenn man es denn so nennen will. Als hätte er sich Zeit gelassen. Außerdem hat er offensichtlich noch mit dem Messer nachgeholfen, wohl um ein präziseres Ergebnis zu bekommen. Ihr Gesicht hingegen ist völlig zerstört, er muss wie besinnungslos auf sie eingeschlagen haben.«
Arne schluckte. Jetzt drohte die Frage, die er nicht stellen wollte. »Und Jonas?«
Roger schüttelte den Kopf. »Tot, komplett der Rücken zerhackt.« Roger atmete schwer. »Da war Blut … vor der Tür … Ich vermute, er wurde draußen erschlagen und dann reingebracht. Er liegt in einer Ecke im Wohnzimmer. Wie ein Müllsack, so als wäre er einen Dreck wert.«
»Meinst du, der Mörder wusste, dass Jonas Polizist ist?«
»Keine Ahnung, jetzt weiß er es aber auf jeden Fall. Sein Portemonnaie lag neben ihm, er hat sicher den Dienstausweis gesehen.«
Arne rieb sich mit der Hand über die Stirn. Nun also auch noch ein Polizistenmord. Er stöhnte.
Roger erkannte die Wut in seinen Augen, deutete sie aber fälschlicherweise als Zorn über
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