Bittere Sünde (German Edition)
Jonas’ viel zu frühen und sinnlosen Tod. Er stand auf und legte Arne tröstend die Hand auf die Schulter.
»Jetzt nehm ich die Sache noch persönlicher«, sagte er mit deutlich hörbarer Feindseligkeit.
Arne nickte zustimmend. »Ja, es reicht.« Arnes Blick wanderte erneut Richtung Hütte. Nun war es an ihm, sich das Werk des Mörders anzusehen.
126
Roger übernahm die Rückfahrt. Arne war immer noch viel zu fertig von dem Anblick. Er verfluchte sich selbst dafür, dass er den Tatort mit eigenen Augen hatte sehen wollen. Wer zu so etwas fähig war, konnte kein Mensch sein. Das, was Gunvor Berggren und Jonas Orling angetan worden war, trug keine menschlichen Züge. Nicht im Entferntesten.
Roger räusperte sich. »Wo steckt eigentlich Magnus?«
Arne zuckte zusammen. »Ich habe mehrfach vergeblich bei ihm angerufen. Es ist verdammt unfein, während einer so wichtigen Ermittlung dermaßen unterzutauchen«, fluchte er.
»Bleib dran, wir brauchen ihn«, sagte Roger.
»Selbstverständlich.«
»Ich überprüfe, wem die Hütte gehört.« Roger klang entschlossen.
Arne Norman fuhr sich müde mit den Händen übers Gesicht. »Schaffst du das?«, fragte er. »Ich kann auch jemand anderen darum bitten.«
»Nein, nein, das übernehme ich. Wir müssen diesen scheiß Pedro endlich mal schnappen.«
127
Das Fahrzeug piepste so nervtötend, als wollte es seine Fahrerin um den Verstand bringen. Es verlangte nach Benzin, und zwar sofort.
Linns Stresspegel stieg rasant an, verzweifelt hielt sie nach einer Tankstelle Ausschau. Wie aufs Stichwort tauchte eine auf, ganz dicht an der Straße leuchtete sie wie ein bunter Leuchtturm in der Dunkelheit. Große Schilder versprachen außerdem frische Kokosbällchen, doch danach stand Linn gerade gar nicht der Sinn. Sie dachte nur an Magnus.
Während der Treibstoff in den leeren Tank strömte, wählte sie Mal um Mal Magnus’ Nummer. Irgendwann gab sie auf und hörte stattdessen Arnes Nachricht ab. Was er erzählte, raubte ihr den Atem: »Wir haben Jonas Orling und Gunvor Berggren in einer Hütte in Brottby tot und schlimm zugerichtet aufgefunden. Sagen Sie Magnus, er soll sich umgehend bei mir melden.«
Als Linn sich wieder auf den durchgesessenen Fahrersitz sinken ließ, konnte sie ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Das durfte nicht wahr sein. Doch nicht Jonas.
Mit großem Kraftaufwand zwang sie sich, aufzuhören. Sie lehnte die Stirn gegen das Lenkrad. Tiefe Atemzüge. Sie hatte zwar mit dem Schlimmsten gerechnet, aber tief in ihrem Innern hatte sie dennoch gehofft, sich zu irren. Sehnlichst gehofft.
Sie wischte sich mit dem Pulloverärmel die Tränen ab und startete den Motor. Wo war sie eigentlich? Wie weit musste sie noch? Sie schüttelte sich, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Im Handschuhfach lag eine Straßenkarte. Sobald sie in Norrtälje ankam, würde sie sowieso einen Blick darauf werfen müssen.
Während sie weiterfuhr, dachte sie darüber nach, was wohl mit Magnus passieren würde, wenn sein Ausflug bekannt wurde. Sie konnte Arne ja schlecht weiterhin mit der
7-Eleven
-Lüge abspeisen. Außerdem mussten sie extrem verwundert darüber sein, dass er sich nicht meldete, jetzt wo Jonas gefunden worden war. Die Scham trieb ihr wieder Tränen in die Augen.
Sie schnappte sich ihr Handy und rief Arne Norman an. »Hallo, hier spricht Linn Kalo.«
Er klang gestresst und fragte in strengem Ton: »Wo ist Magnus?«
»Bei Annika Wirén.«
»Wie bitte?«
»Er wollte noch einmal mit ihr sprechen, hat er gesagt.« Sie präsentierte diese neue Lüge, als würde sie ihm eine frische Waffel mit Sahne servieren.
Arne knurrte unzufrieden: »Wir brauchen ihn im Präsidium.«
»Ich tu, was ich kann. Wo haben Sie … Jonas und Gunvor gefunden?«
»In einer Hütte in Brottby. Ich darf nicht näher ins Detail gehen, aber Roger und Sofie haben sie gefunden und werden sicher ein paar Monate Therapie benötigen, um diesen Anblick zu verarbeiten.«
Übelkeit schlug über Linn zusammen wie eine Woge. Sie versuchte angestrengt, Bilder des toten Jonas aus ihrem Kopf zu vertreiben.
»Wie ist er gestorben?«, fragte sie gedämpft.
»Er wurde erstochen. Und damit hat er wie’s scheint sogar noch Glück gehabt, verglichen mit dem, was Pedro mit Gunvor angestellt hat.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Wie gesagt, ich darf nicht ins Detail gehen, ich sage Ihnen bloß: Viel Haut hatte sie nicht mehr. Eine abscheuliche Angelegenheit. Absolut abscheulich.«
Linn verstummte.
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