Bittere Sünde (German Edition)
den braunen Anstrich war sie in der Dunkelheit fast nicht auszumachen. Sofie legte ihm die Hand auf den Arm, um ihn lautlos zum Schweigen zu bringen, dabei war das völlig unnötig. Roger war längst stumm, jeder Muskel seines Körpers angespannt. Keiner der beiden rührte sich auch nur einen Millimeter. Sofie hatte die Taschenlampe ausgeknipst, und außer dem Rauschen der weit entfernten Autobahn war nichts zu hören.
Wie auf ein unsichtbares Zeichen setzten sie sich in Bewegung und näherten sich schleichend der Hütte. Als sie nur noch fünf Meter entfernt waren, teilten sie sich auf. Roger nahm die Kälte jetzt gar nicht mehr wahr. Sein Körper war leicht wie eine Feder, während er sich an der Hauswand entlangdrückte und versuchte, einen Blick in die schwarzen Fenster zu werfen, die wie leere Augenhöhlen gafften. Er hatte seine Waffe gezückt und hielt sie am langen Arm Richtung Boden. Das schwache Knirschen von Sofies Schritten auf der anderen Seite der Hütte beruhigte ihn. Doch dann hörte er, wie Sofie heftig einatmete und unterdrückt winselte. Adrenalin schoss durch seine Adern. Mit zitternden Händen hob er die Waffe, machte mit dem Rücken an der Wand ein paar Schritte auf die Hausecke zu und trat dann schnell mit ausgestreckter Waffe aus seinem Versteck.
Sofie hockte auf dem Boden.
»Alles in Ordnung?«, fragte er leise.
Sofie signalisierte ihm, zu ihr zu kommen. Als er bei ihr war, hielt sie ihm eine Handvoll Schnee hin.
»Blut«, flüsterte sie.
»Sicher?«
Roger beugte sich über ihre ausgestreckte Hand. Kein Zweifel, das war Blut.
»Die Verstärkung soll sich bloß beeilen«, zischte sie.
Roger zog sein Handy aus der Jacke, aber ein leises Knacken in der Hütte ließ ihn erstarren. Hastig tauschten sie einen Blick. Dann bewegten sie sich so still wie möglich zur Tür. Sie wussten, was sie zu tun hatten, aber auf das, was sie in der Hütte erwartete, hätten sie sich unter keinen Umständen vorbereiten können.
Roger hob seine Waffe und trat die Tür ein.
118
Es war wieder wärmer geworden, und der Schnee auf den Straßen hatte sich in eine matschige Masse verwandelt. Der braune Schnee, der sich auf dem Seitenstreifen auftürmte, enthielt sicher genug Abgase und Schmutz, um damit einen ganzen Stadtteil zu vergiften.
Endlich passierte Magnus das Ortsschild von Norrtälje. Es war dunkel geworden, und er war erleichtert, nicht mehr auf der unbeleuchteten Autobahn unterwegs zu sein.
Leider wohnte Annika ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, es dauerte also nicht lange, bis er wieder in die Dunkelheit eintauchte und das erleuchtete Stadtzentrum hinter sich lassen musste.
Er hielt angestrengt nach dem Schild nach Vissbole Ausschau. Als es endlich hinter einer Kuppe auftauchte, atmete er erleichtert auf. Bereits nach wenigen Hundert Metern erreichte er die Lichtung mit dem gelben Holzhaus, das von schneebedecktem Wald umgegeben war.
Das Haus, das sich vor dem Wald abzeichnete, war nicht groß, aber mehr als ausreichend für eine alleinstehende Frau wie Annika. Dann fiel ihm wieder ein, dass sie einen Lebensgefährten erwähnt hatte. Magnus hoffte, ihn nicht anzutreffen. Er wollte Annika ein paar ernste Fragen stellen und musste sich darauf verlassen können, dass sie möglichst unbefangen von ihren Besuchen bei Gösta und Gunvor Berggren berichten würde.
Auf dem Grundstück gab es offensichtlich keinen Parkplatz, ein paar Hundert Meter vom Haus entfernt war der Weg jedoch breit genug für zwei Fahrzeuge, also stellte er den Dienstwagen dort ab.
Es war nicht leicht, dem Schneematsch auszuweichen, der sich längs des Weges zu großen Pfützen sammelte, weshalb Magnus dankbar war, als er endlich den Kiesweg erreichte, der sich an mehreren knorrigen Apfelbäumen vorbeiwand.
Bei Tageslicht sahen die Bäume sicher idyllisch aus, aber in der Dunkelheit warfen sie skelettartige Schatten auf den Boden des Gartens. Ein großes Gewächshaus verhinderte den direkten Blick ins Haus, dennoch konnte er durch die Scheiben erkennen, dass drinnen Licht brannte. Magnus seufzte erleichtert, Annika war also zu Hause. Er hatte sich absichtlich nicht angemeldet, damit sie dem Treffen nicht ausweichen konnte. Linn hatte nämlich absolut recht – wenn es eine Person gab, die den Zusammenhang zwischen Erik, Gunvor und Josef Lidhman aufdecken konnte, dann war das Annika.
Magnus fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er war völlig fertig und hatte eigentlich keine Lust gehabt, noch am heutigen Abend die
Weitere Kostenlose Bücher