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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Kameraservice sein.
    Die Männer am Nebentisch sprachen über eine Verkostung. War es dieselbe, die auch diese Signora Vanzetti erwähnt hatte? Es schien sich um ein wichtiges Ereignis zu handeln. Die Männer erwähnten Kellereien wie Rocca delle Made, Castellare und Il Palazzino (da war er heute gewesen) und debattierten darüber, wer wohl das Rennen machen würde – und das alles mit einem Enthusiasmus, den Frank sonst nur von Fußballfans her kannte.
    Jemand richtete das Wort an ihn, aber sein hilfloses Schulterzucken machte den Streithähnen klar, dass er als Schlichter der Frage, welcher Winzer besser abschneiden würde, nicht taugte. Woher sollte er wissen, ob die Weine von Dievole besser waren als die von Bonelli?
    «Die kann man nicht vergleichen», sagte jemand, «aber die 98er Riserva von Nittardi verfügt über ein größeres Potenzial als die von Santa Chiletta.» Bossi, das sei überhaupt das Größte, ah, Bossi! Aber an den Torquato von Niccolò Palermo reiche der lange nicht ran ...
    Frank wandte sich zum Nebentisch. «Arbeitet jemand von Ihnen dort, bei Palermo, meine ich?»
    Ein kleiner Mann, weit über die Sechzig, sprang auf: «Sì, sì, signore , ich. Ich war sein capomastro. Niccolò macht wunderbare Weine, als sein ehemaliger Vorarbeiter kann ich das beurteilen. Die Erde da ist Gold wert...»
    «Sie waren heute Nachmittag nicht da, ich meine, auf dem Gut?»
    «Nein, ich bin nur selten da, nur wenn wir probieren und die Assemblage zusammenstellen, verstehen Sie?»
    Frank nickte, obwohl er in den letzten Tagen lediglich mitbekommen hatte, dass ein Chianti Classico Weine verschiedener Rebsorten enthielt. Aber was es genau damit auf sich hatte, wusste er beileibe nicht.
    «Was Besseres als den Roccato gibt es nicht», rief einer der Tischgenossen dazwischen. «Der Gambero Rosso hat ihm nicht umsonst drei Gläser verliehen.»
    «Der Veronelli hat ihn nicht so gut bewertet», warf ein anderer ein. «Die pure Marmelade, aber der Maroni ...»
    «Dass ihr den Unsinn immer noch glaubt», sagte Palermos ehemaliger Vorarbeiter. «Alles Schmu, Betrug, die Jury war gekauft, das ist immer so bei Weinführern, alles Schiebung. Verlasst euch lieber auf die eigene Nase.»
    Gleichgewicht, Struktur, Tannine – und dann wurde noch über irgendwelche Säuren gestritten. Frank hörte mit halbem Ohr zu, diese Begriffe, mit denen die Männer um sich warfen, sagten ihm wenig. Das alles in seinem Weinführer zu erklären war Sache des Redakteurs.
    Er nippte an seinem Espresso, bestellte einen zweiten und einen dritten Sambuca und starrte in die Nacht. Sterne, Stimmen, zuschlagende Autotüren, fernes Gelächter und hart klingende Schritte. Er stand auf, um einen weiteren Sambuca zu bestellen, und merkte, wie sein Schritt unsicher wurde. Von drei Schnäpsen war er wie benebelt. Er wollte zahlen, doch die Männer am Nebentisch hatten es bereits für ihn getan und wünschten ihm eine gute Nacht.
    Aus einem Delikatessenladen kam heller Lichtschein, jemand hatte vergessen, das Licht auszuschalten und die Rollläden herunterzulassen. Ein Regal diente als Rückwand des Schaufensters. Auf einer Breite von drei Metern drängten sich Weinflaschen in vier Reihen übereinander. Alle hatten dieselbe Form, doch kaum ein Etikett glich dem anderen.
    In der Auslage davor lagen Schinken in Körben, vom Wildschwein, cinghiale , und der Sinta-Senese- Rasse, von ihr auch di e finocchiona mit Fenchel, die echte Salami, dazu in Blättern eingewickelte und verschnürte Würste. Käselaibe trugen die Aufschrift Pecorino al Tartufo , Pecorino mit Trüffeln, und dolce dell‘Amiata . Frank genoss den Anblick, das Wasser lief ihm im Munde zusammen.
    Von kaltgepressten Olivenölen und Pastasoßen wanderte Franks Blick zurück zu den Weinflaschen. Was für ein Angebot: Auf den meisten Flaschen stand Chianti Classico, Frank zählte knapp siebzig verschiedene Kellereien. Dabei gab es wesentlich mehr, allein im Chianti Classico mehr als fünfhundert. Wer brauchte so viel Wein, so viele verschiedene Marken? Waren sie wirklich alle so unterschiedlich, wer wollte oder konnte das herausschmecken?
    Die Flaschen verschwammen vor Franks Augen, er hörte die Stimme von Signora Vanzetti: «Verstehen Sie etwas von Wein?»
    Nein, nichts, dachte Frank beim Blick ins Schaufenster. Zum Chianti Classico kam die Riserva hinzu, der Brunello und der Rosso aus Montalcino und die Roten aus Montepulciano. Der Vino Nobile war um einiges billiger als der Brunello, der kostete

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