Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
erreichen?»
    Frank versprach, ihn anzurufen, da er die Nummer leider vergessen habe. Dass er bei Renato Benevole untergebracht war, musste der Avvocato nicht wissen, anscheinend waren die beiden ernste politische Gegner. War es das, was Malatesta mit «der Klasse von Kriegern» gemeint hatte? Oder ging es eher darum, Freund und Feind zu unterscheiden?
    Unauffällig umkreiste Frank die Gruppe von Männern, in der die faszinierende Frau anscheinend nicht nur wohlgelitten, sondern überaus willkommen war.
    «Sehr interessant, die Dame», flüsterte Stefano Scudiere plötzlich hinter ihm. «Sieht blendend aus, eine ausgezeichnete Winzerin, wunderschöne Kellerei, überaus kompetent, Mutter zweier Kinder, Gatte ist vermögend, extrem sogar ...»
    «Wie heißt sie?»
    «Vanzetti, Antonia Vanzetti – Podere Vanzetti bei San Martino al Vento ...»
    «Maledizione!» Der Fluch war ihm so rausgerutscht, und Scudiere blickte ihn verständnislos an. «Da bin ich morgen früh», knurrte Frank und kam sich vor wie ein Trottel. Weshalb – das wusste er nicht, oder er traute sich nicht, es sich einzugestehen. Er hätte die Frau zu gern kennen gelernt, doch was war er im Vergleich zu ihr? Natürlich war sie reich, natürlich kam sie aus einer alten Familie, natürlich verheiratet -wie konnte er sich einbilden, mit so einer Frau ...
    «Gehen wir irgendwo essen?», fragte Frank den Consultore. Nach dieser niederschmetternden Nachricht war sie in unerreichbare Ferne gerückt, und er musste sich etwas Gutes tun. «Du kennst dich in der Stadt aus. Wo gehen wir hin? Ich zahle.»
    «Keine schlechte Idee. Aber dazu fahren wir besser aufs Land», schlug Scudiere vor, «in der Stadt sind zu viele Touristenfallen ...» Er hob den Kopf und überblickte die Menge. «Was ist los? Was ist das für eine Unruhe?»
    Die Stimmen wurden lauter, Rufe schwirrten durch den Saal, als wenn eine Nachricht weitergegeben würde. Es dauerte keine dreißig Sekunden, bis sie Frank erreicht hatte:
    «Das Weingut von Malatesta steht in Flammen!»
    Schon schob sich der genannte Winzer durch die Menge auf Scudiere zu. «Ich habe den Wagen an der Porta Ovile», stieß er hervor. «Bring mich hin, schnell!»
    Scudiere sah sich um. «Sofort. Ich komme selbstverständlich mit...»
    «... und ich auch», sagte Frank und schloss die Schnallen des Rucksacks.
    «Was willst du da?», fuhr ihn Scudiere grob an. «Viel zu gefährlich. Das ist unsere Sache ...»
    «Wenn er will?», schaltete Malatesta sich ein. «Los, Tempo, keine Zeit für Palaver.» Mit dem Handy am Ohr stürmte er aus dem Saal. Frank vergaß die Schöne und den Politiker und rannte hinterher.
    An diesem Abend ließ Frank mehrere Millimeter Profil auf der Superstrada und danach auf der Landstraße. Zuerst konnte er Scudiere folgen, aber dann, auf der Landstraße und später auf der Schotterpiste durch den Wald zum Weingut, hängten Malatesta und Scudiere ihn mit ihren großen Autos mühelos ab; sie kannten jede Kurve. Doch Feuerwehrwagen und die Rauchsäule am Abendhimmel wiesen den Weg zur Brandstelle.
    Der Anblick der brennenden Kellerei auf dem Hügel glich einem Menetekel. Dort wo die Stallungen waren und die Gärkeller, waren die Flammen längst durchs Dach gebrochen, der rechte Teil des Hofes war kurz davor einzustürzen. Daneben schlugen Flammen aus den Fenstern und beleuchteten die winzigen Menschen, die hilflos um die Mauern liefen.
    Frank hielt am Fuß des Hügels. Das Fauchen des Feuers und das Knistern der Flammen war bis hierher zu hören. Eine Zypresse loderte auf wie ein angezündetes Streichholz und sah aus der Ferne aus wie eine in den Boden gesteckte Fackel. Seit Monaten hatte es nicht mehr geregnet. Dort oben war alles trocken wie Zunder. Die nächste Zypresse ging in Flammen auf, Funken stoben in den dunkler werdenden Himmel und mischten sich auf unselige Weise unter die Sterne. Es war fast Nacht, 21.30 Uhr, Ende September waren die Tage längst nicht mehr so lang.
    Auf dem Weg preschte ein weiterer Löschzug in halsbrecherischer Fahrt an ihm vorbei den Hügel hinauf. Hatten sie genug Wasser? Konnten sie das Anwesen retten? Blaulicht zuckte in sicherer Entfernung, die Warnlichter der Feuerwehr rotierten. Was sollte er selbst dort oben? Konnte er helfen? In diesem Moment hatte jemand die Umzäunung der Koppel niedergerissen, sodass ein Feuerwehrwagen ums Haus herumfahren konnte, und Frank sah, wie eine Leiter ausgefahren wurde und ein Mann nach oben kletterte. Es war ein mickriger Strahl,

Weitere Kostenlose Bücher