Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
Ölbäumen, die sich über den Ausläufer des Höhenzuges erstreckten. Es schien sich um eine Kolonne von mehreren Fahrzeugen zu handeln. Frank hatte ein ungutes Gefühl. Der Anblick erinnerte ihn an jenen Montag vor einer Woche, an dem die Gefahr auch aus dem Tal heraufgekommen war. Vor fünfhundert Jahren war es in der Toskana nicht anders gewesen, dachte er und erinnerte sich an Malatestas Worte. Damals waren es die feindlichen Reiter gewesen.
    Wanda Livonardis Weingut lag südlich von Radda auf fünfhundert Meter Höhe, von Giacomo Paeses Besitz trennten sie nur ein paar Kilometer. Hier oben wurde es nie sehr heiß, ein erfrischender Wind strich über die Hänge und durchlüftete die Rebanlagen, die auf gleicher Höhe oder unterhalb der Kellerei lagen. Das machte die Weinstöcke wenig anfällig für Pilzkrankheiten, und es wurden keine Pestizide gespritzt. Der mit Kalk und Ton durchsetzte Boden reichte nur knapp einen halben Meter tief, dann begann der Fels; auch Lagen mit Sandstein kamen vor und viel Geröll. Die Bearbeitung war mühevoll, aber daher geradezu ideal für ausdrucksstarke Weine. Und Wanda verzichtete auf Bewässerung.
    «Wein muss kämpfen, um gut zu werden», hatte sie gesagt und es nicht nur auf die Rebstöcke bezogen.
    Jetzt waren mehrere Fahrzeuge zu erkennen, die langsam an der Flanke des langen Berges heraufkamen.
    «Polizei?» Frank griff zum wiederholten Mal in den Fotokoffer; die Bilder dieses Vormittags waren im Kasten, niemand hatte ihn gestört, keine Unterbrechung, kein Bergrutsch, keine Leiche im Keller – und jetzt das? Er setzte das Teleobjektiv auf die F4 und beobachtete durch den Sucher die in Staub gehüllte Karawane: drei Autos, das erste mit Blaulicht (was für ein martialischer Auftritt, dachte er), quälten sich durch eine Serpentine. Schlaglöcher, Geröll, Hitze – es war unwahrscheinlich, dass die Männer mit guter Laune hier ankamen. Vor einer Woche hatte er noch gedacht, die Toskana sei ein lockerer Job, ein Bildband mit erbaulichen Motiven ...
    «Es ist die Polizei – und dann kommt noch was», sagte er zu Wanda. «Guardia di Finanza ... kann das sein?»
    «Madonna. Dio me ne guardi! Schlimmer als die Inquisition.» Wanda schlug theatralisch ein Kreuz. «Die Steuerfahndung. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was die wollen, aber die wollen zu uns, kein Zweifel.» Mit gesenktem Kopf ging sie in Richtung Einfahrt, wo sie auf den ungebetenen Besuch warten wollte.
    Rechts vom Tor stieg der Berg weiter an, nicht sehr steil, aber zumindest so, dass man die Kellerei zur Hälfte hatte hineinbauen können. Fast alle Winzer bauten im Gebirge so, damit hielten sie ihre Anlagen kühl, und das war gut und wichtig sowohl für die Verarbeitung als auch für die Lagerung in den Kellern. Und im Winter sank die Temperatur innen nie unter den Gefrierpunkt, obwohl hier oben in manchen Wintern Schnee lag.
    Das Gebäude, ein Klinkerbau, war zwanzig Meter lang und sah neu aus. An seinem Ende führten rechts einige Stufen auf eine überdachte Terrasse, von der aus man einen weiten Blick ins Tal hatte und ins Wohnhaus gelangte. Die Büroräume lagen zu ebener Erde, oben lebte Wanda mit ihrem Mann und den drei Kindern. Das Haus war eines der auffälligsten, die Frank bislang gesehen hatte. Es war in knalligem Karminrot gestrichen, und zwischen dem ersten und dem zweiten Stock zierte eine Wandmalerei die Front des Hauses: Ritter zu Pferde in glänzenden Rüstungen mit bunten Wimpeln an den Lanzen. Eine hervorragende Arbeit in Anlehnung an die Fresken, die zur Zeit der Medici im 15. Jahrhundert entstanden waren.
    Noch weiter rechts, Frank hatte sich einmal im Uhrzeigersinn gedreht, begann der Hang, auf dem der Wein wuchs. Derart steile Lagen waren selten, nichts war terrassiert, wie weiter unten, und Frank hatte sich für die Aufnahmen mühsam durch den Weinberg gehangelt. Hier oben war der Berg zum Teil so steil, dass höchstens zwei Reihen Weinstöcke auf einer Terrasse Platz gefunden hätten.
    Wanda stand mit in die Hüften gestemmten Armen mitten in der Einfahrt und zwang die Polizeifahrzeuge zum Anhalten. Die Frau hatte Nerven. Frank trat näher, als die Hüter der Finanzen ausstiegen und die Winzerin umringten. Der Mann auf dem Beifahrersitz des ersten Wagens hatte silberne Litzen an den Achselstücken der blauen Uniform und trug eine Mappe in der Hand. Auch er stieg aus.
    «Sind Sie Wanda Livonardi, Besitzerin der Azienda Livonardi?»
    «Ja, die bin ich. Was wollen Sie hier, Signor

Weitere Kostenlose Bücher