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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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die Beeren nicht platzten und vorzeitig gärten, wurden sie in Kisten gelegt, statt sie in Bottiche zu schütten. Die Lese ging voran, immer mehr Weinberge waren abgeerntet, in zwei oder drei Tagen würde es für Frank schwierig, einen Winzer zum Porträt vor tragende Rebstöcke zu stellen.
    Frank nahm die Straße dritter Ordnung nach San Donato. Vielleicht fanden sich auf der unbekannten Strecke neue Objekte für die Kür, wie er sie sich vorstellte; er hatte den ganzen Tag dafür Zeit. Die Ruhe war dringend nötig, denn der Schreck der letzten Nacht steckte ihm noch tief in den Gliedern.
    Die Landstraße stieg bis zum Macia Morta auf 630 Meter an und blieb dann auf dem Bergrücken. Links öffnete sich der Blick bis fast hinunter nach Poggibonsi, rechts nahm dichter Wald die Sicht. Bei einem Hinweisschild zu einem Weingut bog Frank ab und folgte dem harten und staubigen Weg durch dicht stehende Eichen und Pinien. An einigen Stellen schimmerte der blanke Fels durch den Sand. Die Bodenwellen waren tief, der Wagen setzte auf und ächzte. Das tat er seit gestern immer häufiger.
    Es hätte schlimmer kommen können, wesentlich schlimmer, mit gebrochenen Knochen im Krankenhaus oder gar im Tiefkühlfach der Pathologie, dachte Frank. Wer dort lag, dem war es egal, wer dem anderen das bisschen Margarine vom Brot kratzte, die das Leben für einen übrig hatte. Für Christine ist gesorgt, dachte Frank in einem plötzlichen Anfall von Mutlosigkeit. Die Beiträge für seine Lebensversicherung sind bezahlt, Christines Ausbildung ist sichergestellt, und für den Rest kann sie selbst aufkommen. Sie wird sich zu helfen wissen, wenn ... Soll ich nun weitermachen oder doch besser meine Sachen packen und verschwinden?
    Vorsichtig umrundete er Schlaglöcher, schnitt die Bodenwellen schräg an und hatte immer ein Auge auf dem Rückspiegel. Hier würde er einem Geländewagen nicht entkommen, der hatte Allradantrieb, war schneller, wendiger, kräftiger, und man saß hoch, hatte also einen guten Überblick. Bestimmt fuhr auch Antonias Mann so ein Vehikel, dieser Schlag von Männern fuhr gern solche Panzer. Bei den Winzern war es verständlich, die Autos waren praktisch, konnten einen Hänger ziehen und kamen bei jedem Wetter durch den Matsch. Aber ansonsten waren es reine Statussymbole.
    Hatten gestern Abend die Prediger in dem Wagen gesessen und ihn gerammt – oder jemand anderes? Er waren zwei Personen gewesen, aber ein Gesicht oder gar das Nummernschild hatte Frank nicht erkannt. Sind sie tot oder nur verletzt? Nur? Und wenn ich sie zu Krüppeln gemacht habe? Bin ich da noch im Recht? Aber wie hätte ich mir sonst helfen können? Nein, nicht helfen, mich retten war das richtige Wort. Und wenn dadurch andere ihr Leben lassen? Lauern sie mir jetzt anderswo auf, um mich endgültig umzubringen?
    Nein, es gibt nur eine Lösung. Ich muss herausfinden, was und wer hinter der ganzen Angelegenheit steckt. Wieso begreifen die Winzer nicht, dass jemand versucht, ihren Nachbarn die Weingüter abzujagen? Schauen sie alle so sehr auf die eigenen Füße, dass nicht einmal fünf Minuten zum Nachdenken bleiben? Allerdings ist mir die Lage auch erst gestern Abend so richtig klar geworden, seit ich Pandolfini die Zusammenhänge erklärt habe. Es gibt Winzer, bei denen alles glatt läuft. Andere wieder kämpfen mit Schwierigkeiten, die sie ihre Existenz kosten können, und ausgerechnet denen hat jemand Angebote gemacht, die Güter zu kaufen, bevor die Schwierigkeiten begannen und direkt danach.
    Was war bei Niccolò Palermo schief gelaufen? Weshalb wurden er und sein Sohn umgebracht? Wenn die Frau das Gut nicht weiterführt, muss sie es verkaufen. Hat die Maklerin Tuccanese mit ihr telefoniert, als ich neulich das Gespräch bei Strozzi mitgekriegt habe? Wäre möglich ... Was tut eigentlich die Polizei? Rionero immerhin scheint verlässlich.
    Überlegungen, Motive, mögliche Verbindungen und Schlussfolgerungen sausten Frank durch den Kopf, während er argwöhnisch die Umgebung musterte. Nicht dass er Gespenster sah, doch der nächste Angriff würde kommen, garantiert. Was dieser Baggerführer mitten in der Nacht auf der Brücke nach Rondine gewollt hatte, war nach wie vor unklar. Frank würde Renato Benevole besser nichts von seiner Vermutung sagen, dass man die Brücke absichtlich zum Einsturz gebracht hatte. Wenn das die Runde machte, kam er selbst womöglich in Teufels Küche. Bei diesem Gedanken grinste er sarkastisch. War er da nicht längst?
    Drei

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