Bitterer Chianti
Kinder hatte der Baggerführer gehabt. Seine Frau würde nie wieder einen Mann kriegen, denn wer war so verrückt, sich drei kleine Kinder eines anderen Mannes an den Hals zu hängen? Armut und ein verdammt schwieriges Leben, das da auf die Witwe zukam. Wer war schuld? Der Baggerführer oder diejenigen, die ihn angestiftet hatten?
Der Weg führte steil nach unten. Kurz vor dem Abhang knickte er scharf nach links ab – und von rechts kam ein anderer Weg dazu. Ein offenes Tor, zwei Pfosten – und obendrauf je eine Teufelsbüste, schwarzes Eisen, angelaufene Bronze. Wer stellte Skulpturen hier auf, mitten in der Einöde? Frank stieg aus und folgte dem Weg zu Fuß.
Wo der Berg abfiel, lag ein wehrhaftes Anwesen hoch über den Weinbergen: ein großes Haus, ein Turm, rankende Glyzinien und neben dem geschlossenen Tor eine schwarz glänzende Skulptur – zwei glatte, abstrakte Körper wuchsen auf einem Stamm. Direkt gegenüber standen weitere Plastiken unter Ölbäumen auf dem Rasen. Die rostigen, aus einer Stahlplatte geschnittenen menschlichen Umrisse erinnerten Frank an den Molecule Man von Jonathan Borofsky, an dessen hausgroße Werke in Berlin am Ufer der Spree. Diese hier waren im Vergleich dazu winzig und brauchten keine Löcher, um den Wind durchzulassen.
Es gefiel ihm, dass jemand einfach so die Plastiken in die Gegend stellte. Sie wirkten leicht und spielerisch, sie gehörten hierher, sie passten zum Charakter der Toskana, wenn sich die schrecklichen Ereignisse nicht häuften. Und Frank spürte die Müdigkeit. Die ständige Anspannung, das Schleppen der Ausrüstung, das viele Fahren, und die Nächte waren viel zu kurz. Erst weit nach Mitternacht war er aus Florenz zurückgekommen und um sechs Uhr wieder aufgestanden. Die Nacht davor war sogar noch kürzer gewesen.
Die Teufelsbüsten blickten starr geradeaus, als Frank vorbeiging, und nachdenklich betrachtete er ihre Gesichter. War es Kunst, steckte ein spiritueller Sinn dahinter? Ein Schutz? Hielten sie Wache, damit die Bewohner des Hauses ruhig schlafen konnten? Sie waren gleichmütig und ruhig in ihrem Ausdruck, stoisch und klar.
Erschrocken fuhr Frank zusammen, als das Handy klingelte. Der Klingelton war entsetzlich, wie bei einem alten Wecker aus Blech, den man auf einen umgedrehten Teller gestellt hat, am besten auf den Boden eines Blecheimers, damit man auf keinen Fall verschlafen konnte.
Es war nicht der Consultore aus Apulien, sondern Malatesta. Er hatte die Nummer von Scudiere bekommen.
«Come va?»
«Così, così », antwortete Frank mehrdeutig, «es geht so. Kommt ihr voran – mit dem Aufräumen und der Ernte?»
«Alles den Umständen entsprechend», meinte der Winzer ebenso wage. Zum Glück hätten sich ja einige Kollegen bereit erklärt, Trauben von ihm zu verarbeiten, aber damit, dass die Guardia di Finanza jetzt vier Güter «befallen» und stillgelegt hatte, die seine Trauben verarbeiten wollten – infestato , befallen wie vom Mehltau, so drückte es Malatesta aus –, damit hatte niemand gerechnet. Es sei ein herber Rückschlag, für den er sich verantwortlich fühle.
Wanda Livonardi und zwei weitere Winzer seien Tag und Nacht in Florenz mit einem Tross von Medienleuten von einer Behörde zur anderen unterwegs. Wanda wolle Franks Fotos vom Brand in die Zeitung bringen und habe Reporter mobilisiert. Es sei eine Frage von Tagen, bis die Verfügungen aufgehoben würden und sie Weiterarbeiten dürften. Die Trauben würde man in Kühlhäusern Zwischenlagern. Wie sich das später auf den Wein auswirken würde, wusste Malatesta nicht. Eine Katastrophe, dass Scudiere verreist sei.
«Aber deshalb rufe ich nicht an, Franco. Wir haben etwas für dich als Fotografen, eine Entdeckung sozusagen!»
«Und was ist das?»
Malatesta zögerte kurz. «Das, äh, weiß ich im Moment selbst noch nicht so genau.»
«Non capisco. Du rufst mich an und willst nicht sagen, worum es geht?» Franks Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.
«Nein, im Moment jedenfalls nicht. Kannst du morgen früh kommen, hast du Zeit? Dann sind wir so weit.»
Womit wollte Malatesta ihn überraschen? Meistens überschätzten Laien die Bedeutung von Dingen, die sich zu fotografieren lohnten. «Weshalb ich, warum nicht jemand anderes?», grummelte er, obwohl er längst darauf angesprungen war.
«Du hast uns geholfen, bei dem Brand, und jetzt möchte ich mich revanchieren. Allora, vieni o no? Vergiss die Kameras nicht! Sei um sieben Uhr hier!»
«Okay, ich komme.»
«Denk
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