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Bitterer Jasmin

Bitterer Jasmin

Titel: Bitterer Jasmin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyny Anthony
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kannte, fühlte er sich sicher vor einem Angriff aus dem Hinterhalt. Nicht daß Ardalan dies beunruhigt hatte, aber er ergriff immerhin seine Vorsichtsmaßnahmen. Er war tapfer und hatte vor einem gewaltsamen Tod keine Angst.
    In einer engen Seitenstraße blockierte plötzlich eine kleine Menschenmenge den Weg. Ein Polizeimotorrad lehnte an der Wand, der Fahrer betätigte dauernd die Hupe, um die Leute auseinander zutreiben. Der Oberst trug Zivilkleidung: englischer Maßanzug, weißes Hemd und unauffällige Krawatte. Er beugte sich vor und gab Anweisung zu halten. Seiner Meinung nach waren neun Zehntel der Begabung eines Geheimdienstlers das Talent für Puzzlespiele und das letzte Zehntel Instinkt. Der Instinkt machte ihn neugierig, und seine Neugier ließ ihn das Auto stoppen, um den Grund des Menschenauflaufs zu erkunden.
    Der Fahrer kurbelte das Fenster herunter und rief den Polizisten herbei. Ardalan fragte ihn, was los sei.
    »Ein Mann ist im Haus ermordet worden, seine Leiche liegt noch drinnen.«
    »Ach ja?« In Teheran gab es wenig Morde. Überhaupt waren Gewalttaten selten, so hoch auch die Diebstahlrate lag. Der Oberst stieg aus dem Wagen und äußerte gegenüber dem Polizisten nur das Wort ›SAVAK‹. Sofort fuhr der Mann zusammen und führte ihn ins Haus. Drinnen war es dunkel. Er hörte schrilles Jammern einer Frau. Die Polizei öffnete die Tür zu einem kleinen Hinterzimmer. Ardalan spürte, wie ihm Schlachthausgeruch entgegendrang. Überall am Boden war Blut; er mußte aufpassen, daß seine Schuhe nicht fleckig wurden. Der Tote lag auf dem Rücken, nur mit einem schmierigen Hemd bekleidet. In einer Ecke hockte die Frau. Ardalan befahl ihr, still zu sein, und beugte sich über die Leiche. Das Gesicht über der klaffenden Kehle war unversehrt, die Augen standen offen. Eine Minute lang starrte der Oberst den Toten an. »Wie heißt er?«
    »Habib Ibrahimi.«
    »Und was haben Sie bisher herausgefunden?«
    »Noch nichts«, stammelte der Polizist. »Das ist seine Frau. Sie konnte uns nicht viel sagen. Niemand weiß, wer das getan hat.«
    »Die Frau hat Angst«, sagte Ardalan. »Hier kann man sie nicht befragen. Lassen Sie sie zu mir ins Büro bringen, ich will mit ihr reden. Im Augenblick darf nichts angerührt werden. Meine Leute kommen dann zur Untersuchung. Ist irgend etwas geraubt worden?«
    »Nein. Die beiden haben in diesem Zimmer gewohnt. In den anderen sind Familien. Niemand hat etwas gehört, und es fehlt auch nichts.«
    »Also schicken Sie die Frau zu mir«, wiederholte der Oberst. »Sagen Sie ihr, daß sie nichts zu befürchten hat.«
    Er ging wieder auf die Straße; die Menge machte ihm sofort Platz, der Polizist öffnete den Wagenschlag und salutierte. Als sie anfuhren, nahm der Oberst sein Taschentuch vors Gesicht. Er verwendete ein starkes Eau de Cologne, mit dem er den dumpfen Blutgeruch zu vertreiben hoffte, der ihm noch in der Nase stak.
    Das eine Zehntel Instinkt hatte ihn nicht betrogen, und die anderen neun würden es auch nicht. Ein Mann namens Habib Ibrahimi war in einem schäbigen Hinterzimmer im Armenviertel abgeschlachtet worden. Der Name sagte ihm nichts, aber das Gesicht hatte er sofort wieder erkannt – es war der Kellner, der beim Empfang von Minister Khorvan die Drinks servierte, derselbe Kellner, den er um Fields und den Minister herumschleichen gesehen hatte. Das war kein Zufall, sondern bereits ein Teilstück des Puzzles. Eine halbe Stunde später saß er Habib Ibrahims Frau in seinem Büro gegenüber und redete geduldig und sanft auf sie ein.
    ***

    Peters hatte beim Bahnhof einen ›Ford Cortina‹ gemietet. Kurz nach neun fuhren Madeleine und er damit zum Eaton Square. Sie wirkte ausgeruht und sah hübsch aus in ihrem dunkelblauen Kostüm mit dem bunten Tuch über dem Haar.
    »Sie müßten bald herauskommen«, mutmaßte sie, »aber es ist nicht sehr warm. Ich würde bei diesem Wetter nicht mit einem Kind Spazierengehen.«
    Peters blickte sie an und lächelte.
    »Man merkt, daß du keine Engländerin bist. Die glauben nämlich, daß frische Luft gut tut.«
    Die Zeit verging. Der Lieferwagen eines Delikatessenladens hielt an der Tür, eine Kiste wurde zum Kellereingang getragen. Es war kurz nach zehn. Eine Politesse patrouillierte die Straße entlang und musterte die Autos. Peters legte seine Hand auf Madeleines Knie und krallte so fest, daß es ihr fast weh tat. »Schau!«
    Die Tür des Hauses öffnete sich. Ein Mann mit weißer Jacke kam rückwärtsgehend die Treppe

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