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Bitterer Jasmin

Bitterer Jasmin

Titel: Bitterer Jasmin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyny Anthony
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wurde durch die unendliche Erleichterung gemildert, daß sie Lucie vor diesem Schicksal hatte retten können. Logan hätte bestimmt nicht erwartet, daß sie so schnell reagierte. Den Schlüssel wegzuwerfen war ein momentaner Reflex gewesen. Alles, was sie getan hatte, seit die beiden ihr im Kinderzimmer gegenüberstanden, entsprang der Notwendigkeit, ihr Kind zu schützen. Sie war mit hinausgegangen, hatte sich zum Flugplatz bringen lassen und war ins Flugzeug gestiegen. Als der Amerikaner den Namen Madeleine nannte, war ihr unwillkürlich die Frau eingefallen, die gedroht hatte, ihre Pistole im Kinderzimmer leer zu schießen und Lucie zu treffen. Daß ihre Vermutung stimmte, hatte sie zuerst gar nicht weiter beachtet, aber jetzt wurde ihr klar, daß Lucie nicht mehr in Gefahr sein konnte. Sie waren allein in der Villa. Jetzt brauchte sie um niemanden mehr Angst zu haben als um sich selbst. Wieder wendete sie sich dem Tablett zu. Ihr Magen wehrte sich gegen die Vorstellung, etwas zu essen. Kaltes Fleisch, Butter und Brot lagen auf dem Teller. Wahrscheinlich befand sich außer den drei Kidnappern niemand im Haus. Dann fiel ihr der Fahrer ein. Die palästinensische Volksarmee, arabische Terroristen. Der Fahrer war dunkelhäutig gewesen, sichtlich kein Europäer. Sie zwang sich, etwas Brot und Butter zu essen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, daß sie ihre Kräfte wahren müßte. Sie meinte, jetzt ganz ruhig zu sein, und in gewisser Hinsicht stimmte das auch. Andererseits zitterte ihr Körper noch vom Schock, und es war ihr trotz der Hitze kalt. Wieder ging Eileen zum Fenster, griff mit den Fingern durch die Maschen des Drahtes und versuchte, daran zu ziehen, aber nichts rührte sich. Sicherlich waren die Vorbereitungen sorgfältig getroffen worden. Die Kidnapper hatten die Sache also schon von langer Hand geplant. Aber warum wollten sie Lucie entführen? Warum gerade sie? Es mußte mit Logan zu tun haben und mit der Firma. Aber warum? Warum? Die Frage hämmerte in ihrem Gehirn, sie bekam Kopfschmerzen. Was hatte Logan oder die Firma getan, oder was erhofften sich die Terroristen von der Entführung? Ursprünglich hatten sie Lucie mitnehmen wollen. Ein Kind als Geisel. Wofür? Wogegen? Wahrscheinlich Geld. Sie hörte, wie sich die Tür öffnete, und drehte sich um. Eine Frau stand auf der Schwelle; sie trug dunkle Hosen und eine weiße Bluse, sah aus wie eine elegante Touristin.
    »Sind Sie fertig?«
    Madeleine war ein französischer Name, aber das Mädchen war offenbar keine Europäerin. Ihre Haut hatte von Natur aus eine dunkle Tönung, war nicht sonnengebräunt. Eileen sah sie wieder im Kinderzimmer, hörte, wie sie das Mädchen zur Tür rief, in Schussweite. »Ich habe doch gesagt, daß er Sie nicht heraufschicken soll. Raus hier! Nehmen Sie Ihr Mistessen, und nichts wie raus!«
    Das Mädchen lachte nur. »In ein paar Tagen reden Sie auch anders. Seien Sie froh, daß wir Sie nicht im Keller eingesperrt haben. Das hätte ich nämlich getan.«
    Eileen warf ihr einen Blick zu, daß das Lächeln aus dem Gesicht des Mädchens verschwand.
    »Sie hätten mein Kind ermordet«, sprach sie langsam. »Sie wären zu allem imstande. Sie sind ja gar keine Frau.« Mit diesen Worten wandte sie sich wieder zum Fenster.
    Ohne es zu wissen, hatte sie etwas gesagt, das sogar Madeleine traf. Hatte ihr abgesprochen, daß sie ein weibliches Wesen sei. Sie sah nicht mehr den Hasserfüllten Blick, den das Mädchen ihr zuwarf, als es das Tablett nahm und hinausging. Weniger als eine Frau zu sein war die ärgste Beschimpfung für eine Libanesin, wie frei und gleichgestellt mit Männern sie sich auch dünken mochte.
    Peters hatte ihr aufgetragen, der Gefangenen Seife und Handtuch zu bringen; aus Trotz hatte sie es nicht getan. Warum sollte sie irgend etwas für dieses Weib tun? Die konnte ruhig ohne Bequemlichkeit auskommen. In Flüchtlingslagern gab es auch keinen Luxus.
    Sie ging in die Küche hinunter und stellte das Tablett klirrend ab. Resnais saß in der Halle, er grinste ihr zu.
    »Wie geht's denn unserem charmanten Gast?«
    »Frech ist sie und arrogant!« Madeleine ließ sich auf eines der weißen Sofas fallen. Der Besitzer der Villa, ein algerischer Millionär, war eng mit der Terroristenvereinigung verbunden. Er hatte ein Faible für Weiß.
    »Wenn sie Theater macht, werd' ich's ihr schon zeigen!« sagte das Mädchen mit bösem, trotzigem Gesicht. Resnais beobachtete sie amüsiert. Wenn Frauen sich grausam zeigten, überraschte ihn

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