Bitterer Jasmin
gegen die Drohung, die er erst danach erfuhr, war er hilflos. Sein ganzes Leben lang war er alleine gestanden, hatte nie Hilfe gebraucht. Jetzt brauchte er sie. Und Janet, die ihn liebte, war der einzige Mensch, dessen er nun bedurfte. Er fuhr mit dem Lift in ihr Appartement, im Badezimmer wurde ihm endgültig schlecht. Danach goß er sich einen Whisky ein und setzte sich hin, um auf Janet zu warten.
Saud Homsi kehrte in seine Botschaft zurück. Er war durchaus optimistisch. Einen Augenblick lang hatte er beinahe verloren. Seine Intuition, wohl das Wertvollste für einen Menschen in seiner Position, warnte ihn, daß Logan Field durchhalten würde. Die Sache mit der Verstümmelung hatte er sich selbst ausgedacht und im richtigen Augenblick vorgebracht. Europäer haben einen Horror vor physischer Grausamkeit. Für Völker, die seit Urzeiten an Verstümmelungen als Strafe gewöhnt sind, bedeutet es nichts, in vielen Scheichtümern verloren Diebe die rechte Hand, wurden Verräter kastriert und geblendet, aber für heutige Europäer war das unfassbar. Eine gute Idee, Logan Field damit zu drohen, wahrscheinlich nützlicher als eine Todesdrohung. Obwohl nichts in dieser Hinsicht abgesprochen worden war, hatte Homsi das Gefühl, daß die Entführer der Frau dergleichen antun könnten. Den Plan, Logan Field durch Entführung seines Kindes unter Druck zu setzen, hatte er nie befürwortet, sich auch nichts davon versprochen, daß sie nun die Frau gefangen hielten. Entführung und Verhandlungen waren viel zu kompliziert, um die Bedrohung der arabischen Welt durch die Übergabe Imshans an die Briten zu verhindern.
Auf dem Treffen in München war er nicht gewesen, wußte aber, daß seine Regierung einen Mordversuch am Schah als den sichersten Weg zur Ausschaltung der europäischen Gesellschaften ansah. Sobald Khorvan berichtete, daß der Schah mit James Kelly verhandelte, hatte die Organisation ihre Pläne gemacht und ihre Spione ausgesandt. Der KGB-Geheimdienst hatte alle Details über das Familienleben Logan Fields herausgefunden; man wußte daher, daß er sehr an dem Kind hing. Dann wurden die Vorbereitungen getroffen, Peters und sein Team erhielten ihren Aktionsplan, und es ging los. Syrien hatte zustimmen müssen. Sich auf einen Mordanschlag zu verlassen war zu gefährlich. Mehrere Versuche waren schon fehlgeschlagen, auch solche, die die Russen organisiert hatten, als die kommunistische Partei im Iran verboten wurde. Dank Ardalans Tüchtigkeit war ein Attentat so gut wie unmöglich. Der Schah verfügte über eines der wirkungsvollsten Sicherheitssysteme der Welt. Der einzige verwundbare Punkt war die Ölgesellschaft. Homsi bestellte sich türkischen Kaffee und begann, seinen Bericht zu verfassen. Er betonte zwar Fields anfängliche Resistenz, wies aber darauf hin, daß durchaus Hoffnung auf Änderung bestünde. Die Drohung, seine Frau zu verstümmeln, würde seinen Widerstand brechen, und sollte er dann noch immer zweifeln, müßte man ihm unter Umständen beweisen, daß es ernst gemeint war.
Um fünf Uhr nachmittags des gleichen Tages studierte Oberst Ardalan den Bericht über Homsi und einen zweiten über Logan Field. Daß James Kelly ihn angelogen hatte, stand jetzt außer Zweifel. Offenbar war es aus reiner Panik geschehen. Was immer Saud Homsi von der syrischen Botschaft von Logan Field wollte – mit dem Verkauf von gestohlenen Dokumenten hatte es bestimmt nichts zu tun. Daß er sich mit Field in der Austeilung traf, wies ihn als Profi aus. In der Menge dort fielen ein Europäer und ein Syrer, die sich miteinander unterhielten, nicht auf. Ardalans Beobachter hatte mit angesehen, wie Field auf den Syrer losging, ihm offenbar an den Kragen wollte. Er mußte etwas sehr Böses gesagt haben, daß ein Mensch wie Logan die Selbstkontrolle verlor. Field sah danach ganz elend aus und war nicht in Kellys Haus zurückgekehrt, sondern zum Apartment seiner Assistentin gefahren, ins ›Hilton‹. Man hatte sie im Büro mitten aus einer Sitzung zu ihm geholt.
Ardalan las die Berichte in Ruhe und dachte nach; er hatte seine Sprechanlage abgestellt, um nicht gestört zu werden. Logan Field war ein wichtiger Mann – als Präsident der großen Ölgesellschaft bildete er eine Zielscheibe für Intrigen aller Art. Erfolg oder Nichterfolg seiner Verhandlungen mit der iranischen Regierung konnten die politische und wirtschaftliche Zukunft des Westens beeinflussen. Offenbar war der Schah gewillt, ihm die Konzession zu erteilen, wenn er
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