Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
eigentlich war es ja gar kein Termin, sondern nur ein tollkühner Versuch seinerseits, aber das brauchte sie nicht zu wissen. So wie sie manches über ihn nicht wissen sollte.
»Toi, toi, toi!«
Sie ergriff seine Rechte und suchte mit ihren komischen hellblauen Augen seinen Blick.
»Sie erzählen mir dann morgen alles, ja, Amadeus ?«
Ihre weiche, fleischige Hand wollte die seine gar nicht mehr loslassen. Ein äußerst unangenehmes Gefühl. Ausgerechnet der Grüning musste er jetzt begegnen! Er entzog sich endlich ihrem warmen, leicht feuchten Griff. Dann rang er sich noch ein kleines Brad- Pitt-Lächeln ab, winkte ihr schon im Gehen und eilte davon. Die Angelegenheit mit ihr hatte er im Zuge seiner intensiven Vorbereitungen fast vergessen und gerade jetzt wollte er auch keinen Gedanken daran verschwenden. Er musste sich auf Wichtigeres konzentrieren.
Und dann lief es, wie es laufen sollte! Mit seinem Charme überwand er Pförtner und Vorzimmer und wurde tatsächlich zum großen Falbinger vorgelassen. Es sah sehr gut, um nicht zu sagen, hervorragend für ihn aus, bis Falbinger diese Frage stellte:
»Sie haben jetzt sehr viel geredet, junger Mann. Was würden Sie denn tun, damit Sie den Job kriegen?«
»Ich würde dafür sogar töten«, sagte Amadeus von Steinberg nach einer bedeutungsvollen Pause und zeigte ein diabolisches Grinsen. Jack-Nicholson-Stil. Plötzlich sprang er von seinem Stuhl auf und griff dem Mann hinter dem Schreibtisch mit beiden Händen um den Hals.
»Sagen Sie mal! Sind Sie noch ganz bei Trost?«, brüllte der in Panik und wehrte ihn heftig ab, wobei ihm seine brennende Gauloises aus der Hand fiel.
»Ich lasse Sie gleich vom Sicherheitsdienst rausschmeißen!«
»Aber Herr Falbinger! Warum bin ich denn hier?«, strahlte ihn Amadeus von Steinberg an, während er sich lässig wieder auf den Sitz fallen ließ. »Um Sie zu überzeugen, dass ich der richtige Mann für Ihr Vorhaben bin! Und das eben war nur eine kleine Demonstration aus der Palette meiner Möglichkeiten.«
»Durchgeknallt sind Sie, Steinberg, weiter nichts«, knurrte Falbinger mit einem unfreundlichen Blick auf sein Gegenüber und rieb sich den Hals.
Amadeus entblößte seine makellosen Zähne, produzierte ein strahlendes Lächeln, genau wie Tom Cruise das immer tat, und hob in einer hilflosen Geste beide Hände.
»Ich bin Schauspieler, Herr Falbinger. Etwas anderes habe ich nicht gelernt.«
Als der Regisseur statt einer Antwort nur abfällig schnaubte, schwante Amadeus, dass er vielleicht doch eine falsche Taktik gewählt haben könnte. Trotzdem gab er so schnell nicht auf.
»Außerdem suchen Sie doch einen Verrückten. Also! Ich habe so einige Engagements gehabt in letzter Zeit und hätte hier ein paar Arbeitsproben für Sie.«
»Meinen Sie etwa Ihr blödes Gegrinse in diesem Werbespot für Geflügelwürstchen?«
Amadeus tat, als hätte er Falbingers Frage nicht gehört.
»Schauen Sie sich das bitte kurz an, und Sie werden unschwer erkennen, dass ich genau die richtige Besetzung für die Rolle des Psychopathen in Ihrem Film bin.«
Geschmeidig griff er nach der Aktentasche mit seinem alten Laptop.
»Haben Sie mal irgendwo eine Steckdose, der Akku ist ein bisschen schwach. Dann zeige ich Ihnen zwei, drei kurze Trailer. Und außerdem, Otto - ich darf Sie so nennen? Wir haben doch schon einmal sehr erfolgreich zusammengearbeitet...«
»Ach ja.«
Die Augen des Regisseurs wurden schmal.
»Es ist gut, dass Sie das erwähnen, mein lieber Amadeus! Fast hatte ich es schon vergessen, um nicht zu sagen, verdrängt.«
Falbinger unterbrach sich und klopfte eine weitere Filterlose aus dem Päckchen auf seinem Schreibtisch, um sie an der brennenden in seinem Mundwinkel anzuzünden. Nach dem ersten tiefen Zug hustete er so, dass Amadeus instinktiv auf seinem Stuhl ein Stück zurückrutschte. Als der Filmmann endlich wieder Luft bekam und etwas sagen wollte, konnte er nur flüstern. Aber es war immer noch deutlich genug, dass Amadeus jedes Wort verstand.
»Kommen Sie nicht noch mal her, Steinberg. Versuchen Sie's gar nicht erst über das offizielle Casting. Sie kriegen die Rolle nicht.«
Erst als Amadeus in der U-Bahn diesen dicken blonden Teenager beobachtete, fiel ihm sein Date am morgigen Abend wieder ein. Eine Pommes nach der anderen schob sich das Mädchen mit gelangweilter Miene in den Mund mit der beringten Unterlippe. Zu seiner Enttäuschung über den Ausgang des Gesprächs mit Falbinger gesellten sich nun wieder die
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