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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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die das Gelärme störte. Die Zeitung lesenden jungen Männer am Nebentisch verzogen keine Miene.
    Weder hatte Beate Kinder, noch wollte sie welche. Abgesehen davon, dass ihr der passende Mann fehlte und sie über das Alter inzwischen hinaus war, konnte sie den kleinen Engeln einfach nichts abgewinnen. An ihre eigene Kindheit hingegen dachte sie gerne zurück. Sie war das einzige Kind liebender Eltern und spät ins Haus gekommen. Als sie zehn war, wurde der Vater pensioniert. Die Mutter, die nie gearbeitet hatte, war zwar 15 Jahre jünger als er, aber zu dem Zeitpunkt immerhin auch schon 50. Sie war immer noch sehr schön, sehr dünn und stets sehr nervös. Sie hatte eine höhere Schulbildung genossen und mit 20 einen Ehemann gefunden, der sie von der Notwendigkeit entband, Geld zu verdienen. Er verlangte, dass sie ihm ein gepflegtes Heim verschaffte, standesgemäß repräsentierte, die Gäste, die er aus dem Amt mit nach Hause brachte, mit erlesenen Speisen verwöhnte und mit ihrem recht ordentlichen Klavierspiel erfreute. Ihr Vater hatte sich immer einen Sohn gewünscht, einen Stammhalter, wie er das nannte - und die Mutter wollte ein Mädchen, das sie hübsch anziehen und zu ihrer Freundin machen konnte. Doch Kinder blieben ihnen lange Jahre versagt, bis ihr Wunsch schließlich doch noch erfüllt wurde.
    Beate wurde verwöhnt, das konnte sie wirklich behaupten. Dafür erwartete ihre Mutter, dass sie sich an ihrem Vorbild orientierte. Das versuchte Beate auch, denn sie liebte ihre Eltern. Ihre Freundinnen verdrehten die Augen und schüttelten nur den Kopf. Doch sie ließ sich durch deren Geschwätz nicht beirren. Genau genommen, waren es ja auch gar nicht ihre Freundinnen. Ihre beste Freundin war ihre Mutter und die brachte ihr alles bei, was sie ihrer Meinung nach zum Leben brauchte. Auch ihr Vater war stets sehr lieb zu ihr. Er nannte sie Püppchen, irgendwann nur noch Püppi und so riefen ihre Eltern sie später nur noch.
    Sie lebten zu dritt in einem schönen Haus mit einem wunderbaren Garten in Lichterfelde-West. Die Mutter hielt das Mädchen von den Übeln der Straße fern, wachte über ihre Beziehungen zu anderen, nur hin und wieder durfte sie auserwählte Kinder mit nach Hause bringen. Sie fuhr Beate zu allen Terminen, ob Schule oder Klavierunterricht, und die Schneiderin der Mutter fertigte für das Kind eigens die Garderobe. Das war auch gut so, denn von der Stange hätte man nichts für Beate gefunden. »Kind, in dieser Massenkonfektion sieht man einfach nicht gut aus«, sagte die Mutter immer und tätschelte ihr die runden Bäckchen.
    Die köstlichsten Leckereien brachte sie für ihren Liebling auf den Tisch. Besonders ihre Berliner Küche- ob Hechtklößchensuppe oder Hoppel-Poppel, Aal grün oder Eisbein - mochte Beate schon als Kind. Es fehlte ihr an nichts. Jedes Jahr fuhr sie mit Mutter und Vater in den Urlaub, sie war gerne mit ihnen zusammen. Immer stieg man im selben Hotel auf Capri ab. Der Direktor begrüßte sie überschwänglich und rief »Bella, bellissima!«, wenn er Beates ansichtig wurde, und die Kellner servierten ihr extra große Pasta-Portionen. »Brava!«, zollten sie Anerkennung, wenn sie die stets fein säuberlich geleerten Teller abräumten.
    Von des Vaters ansehnlicher Pension hatten die weitsichtigen Eltern Immobilien erworben, zwei stattliche Altbauten in Kreuzberg, die ihnen zu einem beträchtlichen Wohlstand verholfen hatten. Als Beate ihr Pharmaziestudium gerade abgeschlossen hatte, waren Mutter und Vater kurz hintereinander gestorben, und von da ab ermöglichten die beiden Mietshäuser der Tochter ein sorgenfreies Leben. Sie war ihren Eltern unendlich dankbar.
    All dies hatte Beate Grüning bei ihren gemeinsamen Abenden vor Amadeus in den schönsten Farben bis ins Detail ausgebreitet. Er sollte schließlich wissen, aus welchem Stall sie kam, und auch, wie finanziell abgesichert sie war - nicht nur mit ihrer eigenen Apotheke, die sehr gut lief. Amadeus von Steinberg war genau ihr Typ. Das wusste sie, seit sie sich mit ihm vor einem Jahr zur Wohnungsbesichtigung getroffen hatte. Er war charmant, freundlich, konnte sich gewählt ausdrücken - und er war ein guter Schauspieler. Nun, die ganz großen Rollen hatte er noch nicht ergattert, aber sie hatte ihn schon einige Male im Fernsehen gesehen und ihn immer klasse gefunden. Beate gefiel auch, dass er ein wenig zurückhaltend ihr gegenüber war. Vielleicht machten das die 14 Jahre Altersunterschied. Die nahm sie aber gar nicht

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