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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Sie war jedenfalls nicht so kompliziert wie manche ihrer Vorgängerinnen. Gegenseitig ließen sie sich ihre Freiheiten und im Bett lief es auch nicht schlecht. Er sah keine Notwendigkeit, an dieser Beziehung etwas zu ändern. Verdammt, war das heiß hier! Unzählige Kerzen erleuchteten die festlich gedeckte Tafel und im Kamin knisterten dicke Holzscheite.
    »Ich mag das sehr, so ein Essen im Kerzenschein am Kamin. Wegen der romantischen Atmosphäre«, gestand ihm Beate, als sie bei einer Berliner Krebssuppe saßen. Amadeus, der eine große Abneigung gegen das Schalengetier hatte, löffelte tapfer die dicke Sahnebrühe und lobte den kräftigen Geschmack. Durch die Suppe wurde ihm noch heißer. Beate schien mit der Temperatur keine Probleme zu haben. Na ja, sie trug ja auch so einen komischen schulterfreien Fummel und darüber nur eine transparente Tunika, unter der er den Ansatz ihres weichen Busens bei jeder Bewegung zittern sah. Bestimmt würde sie sich bald wieder nach seinem Privatleben erkundigen. Er ahnte das schon.
    Doch nun verabschiedete sie sich erst einmal in die Küche für den nächsten Gewaltakt ihrer Berliner Hausmannskost. Was hatte sie ihm da vorhin erzählt? An ihrem 16. Geburtstag, nach den üblichen Geschenken, dem Abend im Theater und dem Festessen bei ›Lutter&Wegner‹ in der Schlüterstraße, hatte es noch eine große Überraschung für sie gegeben: Ihre geliebten Eltern eröffneten ihr, dass sie nicht ihre leiblichen Eltern waren. Sie hatten sie kurz nach ihrer Geburt adoptiert!
    »Und meine richtige Mutter hat mich in der Haft geboren. Ist das nicht aufregend?«
    »Wer war denn deine richtige Mutter? Hast du sie später mal kennengelernt?«
    Es war das erste Mal, dass Amadeus zumindest ein bisschen Interesse verspürte, mehr darüber zu erfahren.
    »Das erzähl ich dir gleich beim Schnitzel ä la Holstein!«
    Monströs! Was Beate-Püppi ihm auf einem riesenhaften Teller servierte, versetzte Amadeus' Magen in Panik. Das sollte er alles essen? Ein gigantisches Schnitzel lag unter einem Spiegelei, umgeben von vier Toastecken mit Lachs, Ölsardinen und anderen üppigen Belägen, und dazu reichte sie noch grüne Bohnen und buttrig glänzende Bratkartoffeln.
    »Guten Appetit! Das war schon als Kind mein Lieblingsessen!«, sagte Beate glücklich und setzte energisch Messer und Gabel in Bewegung.
    »Mmh«, murmelte Amadeus und schnitt sich mutig einen kleinen Bissen ab. Essen interessierte ihn nicht. Es musste nur unkompliziert sein und schnell gehen. Meist ernährte er sich von Sandwiches, Bagels, mal einer Pizza oder Nudeln. Auch ein Flammkuchen durfte es sein oder was vom Chinesen. Aber diesen überdimensionalen Berg aus Fleisch und Fisch und Bratkartoffeln würde er niemals aufessen! Außerdem war er nervös und wenn er nervös war, konnte er überhaupt nichts essen. Er wartete nämlich schon die ganze Zeit darauf, dass Beate wieder zu ihrem eigentlichen Thema kam.
    »Es gibt also nach wie vor kein weibliches Wesen, das sein Leben mit dir teilt?«, fragte sie da auch schon, lustvoll ihr Schnitzel kauend, und hielt ihm ihr nicht mehr ganz klares Weinglas zum Anstoßen hin. Darin schwappte eine ziemlich süße Spätlese. Ihre hellblauen Äuglein fixierten ihn und die fettig glänzenden Lippen hatte sie zu einem neckischen Schmollmund aufgeworfen. Oh Mann, was sollte er denn nur tun?
    »Nein«, Amadeus schaute sie ernst an, eine Braue gerunzelt wie Robert de Niro, »ein weibliches Wesen gibt es nicht.«
    »Aber?«
    »Wieso aber?«
    »Du hast so komisch geantwortet.«
    »Nein, da hast du dich verhört«, versicherte er ihr in überzeugendem Tonfall und schickte entschlossen noch ein »Püppi« hinterher.
    »Du wolltest mir doch die Geschichte von deiner Mutter weitererzählen«, forderte Amadeus sie sogleich auf, um ihrem prüfenden Blick zu entgehen.
    »Ach ja«, Beate lachte. Es klang allerdings ein wenig gekünstelt, fand er.
    »Ja, also meine Mutter. Die Frau, die mich geboren hat. Sie war Apothekerin.«
    Genüsslich führte sie ihre vollbeladene Gabel zum Mund. Was Beate berichtete, war so erstaunlich, dass Amadeus gänzlich aufhörte zu essen. Sein Magen sandte ohnehin schon Warnsignale.
    »Als ich 16 wurde, entließ man sie gerade aus der Haft«, erzählte Beate munter weiter, zwischendurch mit Appetit große Happen kauend. »Das war der Grund, weshalb mich meine Adoptiveltern über meine Herkunft aufgeklärt haben. Aber Mama wollte mich nicht sehen damals und ist kurz darauf nach Argentinien

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