Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
der Male nicht an Stichverletzungen gestorben, sondern an einer Krankheit, die der Stadtphysikus nicht kannte. Eva hingegen schien es wieder besser zu gehen. Es war wie verhext! Sein Blick wanderte zum Hals des Mädchens. Die Stellen, wo er in der Früh die winzigen Wunden versorgt und das Blut abgetupft hatte, lagen nun unter einem Band aus dunkelrotem Samt verborgen. Maria musste es ihrer Dienstmagd geborgt haben.
Nachdem er einen Blick ins Schlafzimmer des Apothekers geworfen hatte, lief Gersdorf ziellos durch die Straßen. Seine Unruhe wuchs, er war nun mehr denn je davon überzeugt, dass irgendjemand in der Stadt ein böses Spiel mit der Familie des Apothekers trieb. Ein tödliches Spiel. Aber was trieb diesen Unbekannten an? Was versprach er sich davon, die Taborius' ins Unglück zu stürzen? Wollte er Rache nehmen oder ging es ihm um Geld? Carl Gottlieb Taborius war kein armer Mann, das wusste er. In den letzten Jahren hatte er gut gewirtschaftet. Auch hatte er in Krumau als Apotheker und Naturforscher stets einen guten Ruf genossen, was für Gersdorfs Onkel den Ausschlag gegeben hatte, seine Einwilligung zur Heirat mit Maria zu geben. Maria verfügte über eine hübsche Mitgift und sah an seiner Seite einem Leben in geordneten Verhältnissen entgegen. Für eine Waise war das nicht schlecht. Es erschien daher völlig abwegig, dass sie die Gier nach dem Vermögen ihres Onkels gepackt hatte.
Gersdorf blieb vor der Mariensäule am Marktplatz stehen. Nur wenige Schritte von ihm entfernt verließ ein Mann das Rathaus. Es war sein ehemaliger Reisegefährte, der Priester, der ihm geraten hatte, nach Wien zurückzukehren. Als der Mann Gersdorf bemerkte, zögerte er kurz, raffte dann aber seine Soutane und überquerte den Platz, wobei er den dampfenden Pferdeäpfeln, die auf dem Weg lagen, geschickt auswich.
»Ich habe schon von meinem Bruder Benedictus gehört, dass Sie noch in der Stadt sind«, rief er Gersdorf zur Begrüßung zu. »Ich hoffe, Sie sind wohlauf?«
Gersdorf zog den Hut und erwiderte den Gruß des Geistlichen mit einem knappen Nicken. »Gewiss, leider kann man das von den Mitgliedern der Familie Taborius nicht sagen. Der Apotheker ist krank und auf seine Magd wurde heute Nacht ein Anschlag verübt.«
»Gott der Gerechte!«, stöhnte der Priester. Kopfschüttelnd lehnte er sich neben Gersdorf an die steinerne Säule und hörte zu, was der junge Mann ihm zu berichten hatte.
»Ich war im Irrtum, als ich Ihnen nahelegte, die Leute im Apothekenhaus sich selbst zu überlassen«, sagte er schließlich kleinlaut. »Bitte verzeihen Sie mir. Es ist gut, dass Sie hier sind. Sie können ..., ach, ist sie das nicht?«
»Wen meinen Sie?«
Der Geistliche deutete auf eine junge Frau in einem Kapuzenmantel, die sich energisch durch das Getümmel des Markttages kämpfte und schließlich mit eiligen Schritten auf eines der Häuser jenseits des Platzes zuhielt. »Die Magd von Taborius. Das ist sie doch. Sie geht zu meinem Bruder.« Er seufzte. »Offensichtlich geht es ihr doch schlechter, als Sie annahmen, sonst würde sie wohl kaum die teure Untersuchung des Stadtphysikus in Anspruch nehmen. Mein Bruder könnte reicher als Taborius sein, wenn er nicht so viel für Branntwein ausgeben würde.«
»Merkwürdig«, gab Gersdorf zu. Als er das Haus verlassen hatte, war ihm Eva kräftig und gesund vorgekommen. Aber man konnte natürlich nie wissen, welche Folgen ein Schock, wie sie ihn erlitten hatte, für das Wohlbefinden haben konnte. Möglich, dass sie einem bekannten Physikus auch mehr vertraute als ihm, der ja noch kein fertiger Arzt und noch dazu unerfahren war.
Er wandte sich dem Priester zu. »Sie glauben doch, dass ein Wiedergänger für die Todesfälle in Krumau verantwortlich ist, nicht wahr, Hochwürden? Sie dürfen es gern zugeben.«
Der Priester seufzte leise, wich Gersdorfs Blick aber nicht aus. »Warum soll ich es abstreiten? Das vermuten viele Leute hier und ich muss ihre Ängste ernst nehmen. Wussten Sie, dass die alte Fürstin von Schwarzenberg zu ihren Lebzeiten eine begeisterte Jägerin war? Auf ihren Jagdausflügen durch die Wälder schoss sie auf alles Wild, nur die Wölfe ließ sie am Leben. Sie hatte eine besondere Vorliebe für die Geschöpfe der Nacht. Sie ließ Gehege im Schlosshof anlegen, wo sie Wölfe hielt.«
»Wozu das?«
»Weil sie die Milch von Wölfinnen brauchte. Die Leute erzählen sich, dass sie die Milch trank, um einen männlichen Erben zu bekommen. Hat ja auch funktioniert.
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