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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Ihr Sohn lebt bei Hofe in Wien. Nachdem Eleonoras Mann, Fürst Adam, bei einem Jagdausflug versehentlich dem Kaiser vor die Flinte lief, zog sich die Fürstin zurück. Sie blieb im Schloss wohnen, schien aber nur nachts zu wachen. Sie bestellte Unmengen von Arzneien bei Taborius und anderen Apothekern, aber keines der Heilmittel half ihr. Als sie in Wien starb, wurde das Schloss abgeriegelt und von städtischen Nachtwächtern bewacht. Man brachte Eleonoras Leichnam sofort nach Krumau zurück, wo er bei Nacht und Nebel in der Nepomuk-Kapelle bestattet wurde. Arme Leute aus der Stadt trugen ihren Sarg. Nach der Messe mauerten sie ihn in der Gruft ein. Kein Vertreter des hohen Adels ließ sich bei der Leichenfeier blicken. Nicht einmal ihr Sohn.«
    Gersdorf runzelte die Stirn. »Warum erzählen Sie mir das? Wollen Sie allen Ernstes behaupten, die tote Fürstin von Schwarzenberg würde nachts im Apothekenhaus herumspazieren und die Bewohner heimsuchen? Ich bin ein Mann der Wissenschaft. Zumindest möchte ich einer werden, schon deshalb glaube ich nicht an solche Ammenmärchen. Sie als Mann der Kirche sollten es auch nicht tun.«
    »Wer behauptet denn so etwas, junger Mann? Ich wollte Ihnen lediglich erklären, mit welchen Ideen Sie hier konfrontiert werden könnten. Wussten Sie, dass die Apothekerfrau und ihr Sohn in Nord-Süd-Richtung begraben wurden? Ich konnte nicht verhindern, dass die Totenwäscherin ihre Hände mit einem Rosenkranz fesselte und ihnen einen Stein zwischen Ober- und Unterkiefer schob. Sie sollen ihre Gräber nicht mehr verlassen. Was also glauben Sie?«
    »Ich glaube, dass sie auf eine heimtückische Weise zu Tode gebracht wurden. Möglicherweise durch Gift. Das lässt sich nur schwer nachweisen.« Insbesondere, wenn die Verstorbenen so rasch unter die Erde gebracht werden, fügte er in Gedanken hinzu.
    Der Priester machte ein nachdenkliches Gesicht. »Gift? Ja, vielleicht haben Sie recht. Arsenik, das Mordwerkzeug der Frauen. Aber das weist doch wieder auf Ihre Verlobte Maria Taborius hin.«
    »Nicht unbedingt!« Gersdorf schlug mit der Faust gegen die Säule. »Im Rathaus werden doch für gewöhnlich auch die Habseligkeiten von Menschen aufbewahrt, die auf der Durchreise sterben und keine Angehörigen haben?«
    »Es gibt eine Asservatenkammer. Aber warum ...«
    »Dann bitte ich Sie, mich dorthin zu begleiten, Hochwürden. Mir wird man kaum Zutritt gewähren, Ihnen als Priester aber schon. Außerdem wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Durchsicht der Kirchenbücher erlauben würden. Mich interessieren insbesondere die Geburtsregister der letzten fünfundzwanzig Jahre.«
    Gersdorf musste den überraschten Pfarrer förmlich über den Platz schieben. Dass er die Nerven des geistlichen Herrn strapazierte, war ihm klar, und normalerweise hätte er es sich niemals erlaubt, einen Menschen so zu überrumpeln, doch in ihm rührte sich die Erkenntnis, dass er keine Zeit mehr verlieren durfte und so schnell wie möglich ins Apothekenhaus zurückkehren musste.
    Er konnte nur hoffen, dass er noch nicht zu spät kam.
    Maria staunte nicht schlecht, als sie erfuhr, dass Gersdorf zum Abendessen die Brüder Posener ins Apothekenhaus eingeladen hatte. Angesichts des bedenklichen Zustands ihres Onkels stellte sie die Anwesenheit eines Arztes und eines Priesters zwar nicht weiter in Frage, warum sich aber auch Emil, Taborius' Geselle, bei Tisch einfand, begriff sie nicht. Obwohl das Brathühnchen, das Eva gezaubert hatte, köstlich schmeckte und der Rotwein in den Gläsern verlockend funkelte, brachte sie auch an diesem Abend kaum einen Bissen herunter. Als sie das Tischglöckchen bedienen und damit die Tafel aufheben konnte, war ihr die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Doch Gersdorf bat sie, sich noch nicht zurückzuziehen, denn er hatte den Anwesenden etwas mitzuteilen.
    »Es ist aber schon spät«, protestierte Posener gähnend. »Hat das nicht bis morgen Zeit?«
    »Ich fürchte, nein. Außerdem nehme ich doch an, dass es Sie interessieren wird, wie und warum Frau Taborius, ihr Sohn Ignaz und ein Naturforscher namens Alfredo Gianni aus Mailand umgebracht wurden?«
    »Alfredo Gianni?«, riefen Maria und Eva, die das Geschirr auf dem Büffet stapelte, wie aus einem Mund.
    Gersdorf atmete tief durch, bevor er antwortete. »Jawohl. Hochwürden Posener und ich konnten seine Identität inzwischen zweifelsfrei feststellen. Wir fanden Briefe und Beglaubigungsschreiben, die Signore Gianni ins Innenfutter seines

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