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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Gehrocks eingenäht hatte. Der Weg von Italien nach Böhmen ist weit und vielleicht fürchtete er, unterwegs beraubt zu werden oder an den Zollschranken Probleme zu bekommen.«
    »Na schön, nun wissen Sie, wer der Bedauernswerte war, aber wem hilft das weiter?«
    »Nun, das hilft ungemein«, sagte Gersdorf. »Mir wurde schnell klar, dass jemand vorhat, der Familie des Herrn Taborius zu schaden. Dieser Unbekannte schreckte nicht davor zurück, Gerüchte über die arme verstorbene Fürstin von Schwarzenberg auszustreuen. Er wollte, dass es so aussah, als würde die Fürstin als Wiedergängerin aus dem Grab steigen, um gemeinsam mit einem Mittäter einen Taborius nach dem anderen zu töten. Dabei lenkte dieser Jemand höchst heimtückisch den Verdacht auf Maria, die kein leibliches Kind, sondern nur eine Verwandte der Taborius' ist. Ein Waisenmädchen, das in den Augen der Bürgersleute von Tag zu Tag verdächtiger wurde. Irgendwann wäre nur noch sie im Haus übrig geblieben und als Mörderin oder Hexe abgeurteilt worden. So ähnlich wird sich unser Unbekannter den letzten Akt der Tragödie vorgestellt haben. Anschließend wäre das beträchtliche Erbe des Hauses Taborius ihm zugefallen. Ihm oder ihr.« Gersdorf blickte zum Büffet hinüber. »Nicht wahr, Eva?«
    Die Magd erstarrte. Die übrigen Anwesenden schüttelten ungläubig die Köpfe.
    »Ich?«, keuchte Eva fassungslos. »Aber gnädiger Herr, das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Ich bin nur eine Hausmagd. Jeder in Krumau kann bezeugen, dass ich meinem Herrn, Apotheker Taborius, seit Jahren treu diene.«
    »Ebenso treu, wie auch deine Mutter als Köchin im Hause gedient hat?« Gersdorf warf der Frau einen herausfordernden Blick zu, den sie mit blitzenden Augen beantwortete. »Ich glaube nicht, dass sie nur in der Küche gearbeitet hat. Es gab gewiss Zeiten, in denen sie ihrem Herrn - sagen wir einmal - sehr nahe stand. Und die Frucht dieser heimlichen Leidenschaft ist eine Tochter, die mit ihren roten Haaren dem jüngsten Spross der Familie Taborius auffallend ähnlich sieht. Pfarrer Poseners Kirchenbücher bestätigten meinen Verdacht. Im Geburtenregister ist der Name des Vaters zwar unleserlich gemacht worden, aber das konnte mich nicht täuschen. Während der Krankheit ihrer Mutter muss sie angefangen haben, sich über ihre Herkunft, mehr aber noch über ihre Zukunft Gedanken zu machen. Für sie wurde es Zeit, Rache zu nehmen, weil sie im Haus nie beachtet wurde. Vielleicht gestand ihr ihre Mutter auf dem Totenbett, dass Herr Taborius ihr Vater ist. Stellen Sie sich ihre Wut vor. Sie schrubbte die Dielenböden, während Maria, eine mittellose Verwandte, im Haus wie ein eigenes Kind aufgenommen wurde. Ich denke, damals kam ihr der Einfall, sich ihrer Verwandtschaft zu entledigen, des Vaters zuletzt, um nach einer Weile der geheuchelten Trauer ihre Ansprüche anzumelden.«
    »Du vergisst, dass Eva selbst überfallen wurde«, wandte Maria ein.
    »Das vergesse ich keineswegs, meine Liebe. Eva hat diesen Überfall sorgfältig inszeniert, um den Verdacht von sich abzulenken. Ist es nicht eigenartig, dass der vorgebliche Eindringling sie nur ein wenig ritzte und dann spurlos verschwand? Natürlich sollte es so aussehen, als sei ein Wiedergänger ins Haus eingedrungen, aber Eva war gleich am nächsten Morgen wieder auf den Beinen. Wäre sie krank im Bett geblieben, hätte sie mich vielleicht länger täuschen können. Aber das konnte sie nicht. Sie musste aufstehen, um ihrem Komplizen Bericht zu erstatten und ihn vor mir zu warnen.«
    »Das Weib hatte einen Komplizen?«, Pfarrer Poseners Stimme zitterte leicht, denn er ahnte bereits, worauf Gersdorf anspielte. Seine Finger spielten nervös mit dem silbernen Kruzifix, das an einer Kette um seinen Hals hing.
    Gersdorf trank einen Schluck Wein, bevor er weitersprach. Auf seinen Wink hin begab sich Emil, der Apothekengehilfe, zur Tür, vor der er breitbeinig Stellung bezog. Der junge Bursche mochte für die Arbeit zwischen Rezeptur und Offizin nicht sonderlich begabt sein, aber er hatte kräftige Arme. So einfach würde ihm niemand entkommen.
    »Dieser Naturforscher aus Italien, Alfredo Gianni, kündigte dem Herrn Taborius, den er aus Briefen als erfahrenen Kollegen schätzte, schriftlich seinen Besuch an. Leider bekam Taborius den Brief nie zu Gesicht, denn er war zu dieser Zeit mit seiner Familie in Wien. So verpasste er auch den Besuch des Forschers, der ihm ein kleines Gastgeschenk mitbrachte. Nichts, was unsereins

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