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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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hinausgingen, was ihm bestimmt war. Und so hat er sich eben totgelacht. Weißdornessenz hat diese Wirkung in Verbindung mit unseren Glücksdrogen. Ah, ich sehe es an deinem Gesicht, das wusstest du nicht, mein kluger Bruder, der du dich so viel besser dünkst als ich.«
    »Aber der Körperscanner hätte das doch merken müssen!«
    Naomas lachte zum dritten Mal, glücklich, seines Sieges sicher. »Nein. In den Scanner ist die Zusammensetzung des Weißdorngiftes nicht einprogrammiert. Wie soll er also Daten dazu liefern? Und eigentlich ist es ja auch kein Gift. Die Nazca-Druiden nutzen es seit Generationen in homöopathischen Dosen zur Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems ihrer Stammesmitglieder. Ihnen selbst ist die Einnahme jeglicher Medizin natürlich verboten, wie du wohl weißt, sonst würde womöglich die Wirkungsweise unserer Drogen verfälscht. Unsere Altvorderen waren klug, es steht nicht umsonst auf den Gesetzestafeln. Außerdem war das ja auch nicht nötig. Dank unserer überlegenen Medizin wurden die Druiden niemals krank. Wir haben sie uns einfach geholt und getötet, wenn es Zeit war, sie abzusetzen.«
    »Wieso hat er dir geglaubt?«
    »Weil er mir vertraut hat. Weil er glaubte, mich schon lange zu kennen. Er dachte, ich bin du.«
    Da wallte etwas in Peters hoch, etwas, das eigentlich nicht da sein durfte und es doch war. Etwas, das ihm die Frau mitgegeben hatte, in deren Leib er gewachsen war: eine tierische, blinde Wut. Er dachte nicht mehr nach, sondern griff sich einen der Steine auf dem Boden der Höhle, stürzte sich auf seinen Bruder und drosch damit auf ihn ein. Naomas war viel zu verblüfft, um sich zu wehren. Vielleicht hatte er aber auch nicht daran gedacht, dass den Naturkindern diese Tötungshemmung nicht mitgegeben worden war. Mit einem verblüfften Gesichtsausdruck sank er zu Boden, das Blut aus einer tiefen Kopfwunde vermischte sich mit Hirnmasse und sickerte in den Höhlenboden ein. Er holte noch einmal tief Luft, sein Brustkorb dehnte sich. Dann brach sein Blick.
    Peters starrte auf den Stein in seiner Hand, auf die Blutflecken darauf und konnte nicht fassen, was er eben getan hatte. Nun war er ein Mörder. Der Mörder seines Bruders. Nicht nur das. In gewisser Weise hatte er mit Naomas auch seine eigene Zukunft getötet. Nun gab es niemanden mehr, dessen Organe ihm eingepflanzt werden konnten. Er senkte den Arm, der Stein entglitt seinen Händen und fiel auf den Höhlenboden.
    Peters schwitzte. Er sah an sich herunter, entdeckte die Blutspritzer und schlüpfte aus seiner zweiten Haut. Sie war ihm endgültig zu eng geworden, etwas drückte wie ein Gebirge auf seine Brust. Er hatte das Gefühl, kaum noch atmen zu können, als ihn die Verzweiflung überfiel. Was hatte er getan? Was hatte er nur getan!
    »Du hast ihn umgebracht«, sagte eine Mädchenstimme. Peters fuhr herum, sprachlos. Rianna! Sie torkelte, wäre beinahe gefallen. Doch sie schaffte es, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Wie kam sie hierher? Warum schlief sie nicht? Er war sicher, dass sie genügend Drogen bekommen hatte, um die nächsten neun Monate nicht mehr zu erwachen.
    »Du kannst dich häuten. Und du hast ihn umgebracht. Ist das auch ein Elf? Ein Elf wie du?«
    Er brachte nicht mehr als ein Nicken zustande.
    Sie lief auf unsicheren Beinen, noch halb benommen, zu ihm und fiel vor ihm auf die Knie. »Bitte, Herr, tu mir nichts.«
    Da kam Bewegung in ihn. Er zog sie hoch. »Keine Angst, Rianna, ich tue dir nichts. Das könnte ich überhaupt nicht.«
    Sie sah ihn staunend an. »Du kennst meinen Namen, Herr?«
    »Ich kannte deinen Großvater. Wir haben uns oft gesehen.«
    »Er traf also dich, immer, wenn er fortging.« Das war keine Frage. »Aber wieso kannte? Ist er tot?«
    »Er ist tot. Ich habe ihn neben dem großen Stein beerdigt.«
    Sie gab sich alle Mühe, nicht die Fassung zu verlieren. »Und dieser da hat das getan? Hat er ihn umgebracht? Hast du ihn deshalb getötet?«
    »Ja, Rianna. Deshalb.« Was hätte er sonst auch sagen sollen.
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Also gibt es auch schlechte Elfen.«
    »Gut und Böse existieren überall, wo Lebendiges existiert. Das eine gibt es nicht ohne das andere.«
    Er bemerkte, wie sehr sie sich bemühte, nicht zu weinen. »Das sagte mein Großvater auch immer. Also wusste er das von dir.« Wieder fiel sie vor ihm auf die Knie. »Danke, Herr, danke. Ich habe immer davon geträumt, einen Elfen zu sehen. Seit ich denken kann. Doch ich glaubte, ich würde mich bei

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