Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
dich mit Ketten und Tauen an sich fesseln, damit du ein genauso langweiliges Leben führst wie sie. Tja, mein Lieber, sieh es ein: In deinem Leben wird es weder Freunde noch Sex noch sonst irgendwelchen Spaß geben, solange diese böse, hinterhältige alte Frau noch lebt! Hier zuckte Mark-Dennis zusammen, als hätte ihn ein Peitschenhieb getroffen. Mein Gott, was dachte er da zusammen! Wie konnte er sich nur solche schlimmen Sachen zusammenfantasieren? Muttermord! Grauenhaft, scheußlich, er würde der ewigen Verdammnis anheimfallen, aber endlich auch ein normales, erfülltes Eheleben führen können, ätzte das Stimmchen in seinem Kopf gehässig. Kneipe gehen, Bier trinken, Urlaub fliegen, Surfen lernen ...
»Stopp!« Heftig schüttelte Mark-Dennis den Kopf, um das boshafte Stimmchen endlich zum Schweigen zu bringen.
»Was?«, fragte Hertha erstaunt, einen Arm im Ärmel der leichten Tweedjacke. »Was ist los?«
»Nichts, nichts, alles in Ordnung«, versicherte Mark-Dennis hastig. »Verzeih, ich war in Gedanken.«
»Und was hast du gedacht?«, wollte Hertha sofort wissen, während sie die Jacke vollständig anzog und den Hausschlüssel einsteckte.
»Ach, nur, dass ich eigentlich nicht möchte, dass es schon Herbst wird.«
»Ah, so.« Hertha war nicht länger interessiert. Ihr Sohn hegte keine Gedanken, die ihr eventuell nicht gefallen könnten. Damit war das Thema für sie erledigt. »Wir können aufbrechen!«
Freudig hakte sie sich bei Mark-Dennis ein und öffnete die Tür. Gemeinsam traten Mutter und Sohn ins Freie.
***
Das durfte doch nicht wahr sein! Da hatte es diese alte Hexe doch tatsächlich wieder geschafft, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen!
Vor Wut über die Erkenntnis schössen Ellen die blanken Tränen in die Augen, sodass sie das Paar, das gerade Arm in Arm den Gartenweg entlangschritt, nur wie hinter einem Schleier wahrnahm.
Manchmal gelang es Mark-Dennis, sich unter dem Vorwand, spazieren gehen zu wollen, aus dem Haus zu stehlen. Dann wartete Ellen eine Viertelstunde, um dann ebenfalls loszufahren und zu einer verschwiegenen Stelle im Stadtwald zu fahren, wo Mark-Dennis auf sie wartete. Dort taten sie dann das, was sie zu Hause mangels Gelegenheit nicht miteinander tun konnten. Doch das passierte leider viel zu selten, weil Hertha ihr Herzblatt nicht aus ihren Krallen entließ.
Zitternd vor Zorn, sah Ellen, wie die alte Dame in Mark-Dennis' Wagen stieg. Kurz bevor ihr Kopf im Inneren verschwand, blickte sie noch einmal zu den Fenstern des jungen Ehepaares hinauf. Deutlich sah Ellen das hämisch-zufriedene Lächeln, das Herthas Lippen in die Breite zog.
»Okay«, flüsterte Ellen, den Blick von Tränen des Zorns verschleiert. »Du hast es nicht anders gewollt, du alte Hexe. Ab jetzt sind deine Tage gezählt!«
Schön gedroht! Nur leider wusste Ellen bisher immer noch nicht, wie sie die verhasste Schwiegermutter zu ihrem Schöpfer schicken sollte. Sich einen Mord auszumalen, war leichter, als ihn wirklich zu planen!
***
Hertha schob den Schlüssel ins Schloss, trat ein und lauschte in die Tiefen der Wohnung, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich ungestört war. Zwar hatte Ellen heute Morgen das Haus wie üblich verlassen, um in ihre blöde Praxis zu fahren, aber vielleicht war sie ja unbemerkt zurückgekommen, als Hertha einkaufen gewesen war.
Eigentlich scheute sie nicht den Kampf mit der Schwiegertochter, schließlich war sie bisher aus allen Gefechten immer als Siegerin hervorgegangen, aber es war ihr trotzdem lieber, wenn sie sich ungestört in der Wohnung ihres Sohnes bewegen konnte.
Wenn man es genau nahm, was Hertha natürlich nicht tat, war es ihre Wohnung. Sie hatte sie dem jungen Paar nur überlassen, damit die beiden die Miete sparen konnten. Wozu sollten sie anderswo einen hohen Mietzins zahlen, wenn hier eine ganze Villa zur Verfügung stand? Mark-Dennis hatte das Angebot gern angenommen. Er war halt ein dankbarer Junge, der jede Wohltat, und war sie auch noch so bescheiden, freudig annahm. Aber Ellen, diese verwöhnte Göre, war mit nichts zufrieden.
Dauernd zerrte sie an dem Jungen herum, dass sie ausziehen und sich eine andere Bleibe suchen sollten. Eine, wo sie beide schneller an ihrem Arbeitsplatz waren, die sich leichter sauberhalten ließ und weiß Gott, was das Weib sonst noch ins Feld führte, um Mutter und Sohn zu trennen! Aber das würde der falschen Schlange niemals gelingen, weil Hertha es unter keinen Umständen zulassen würde.
Ha, das
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