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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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zuzuspielen. Jetzt, wo Albrecht erreicht hat, was er wollte, steht allein Luther ihm im Weg, um wieder Frieden mit dem Kaiser und dem Reich zu schließen.«
    Bitter lachte Dorothea auf. Mehr als ein Fürst kam ihr in den Sinn, der diese Überlegungen gleich für bare Münze ausgeben würde, sollte Luther an der Essenz sterben. Mit weichen Knien ging sie an Hornbergers Seite zu ihren Gemächern. Hinter sich meinte sie aufgeregte Schritte zu vernehmen. Die Hofmeisterin wie auch Hubertus und die anderen Zwerge folgten ihr also doch, um der hinterhältigen Vergiftung auf den Grund zu gehen.
    »Wen hieltet Ihr für fähig, derart Übles zu tun und Luther in Eurem Namen ein Gift zuzuspielen?«, wagte der Wundarzt sich zu erkundigen, als sie endlich die Offizin erreicht hatten und sie bereits daran ging, aufmerksam die Regale mit den verschiedenen Gefäßen und Phiolen abzusuchen. Offenbar beschäftigte ihn ihre Befürchtung doch mehr, als er zuerst zugeben wollte. »Unter den derzeitigen Gegebenheiten könnte daraus leicht ein blutiges Gemetzel entfacht werden.«
    »Da verratet Ihr mir nichts Neues«, erwiderte sie und kramte wie besessen in einer Kiste. Die tönernen und gläsernen Gefäße klirrten gegeneinander. Hin und wieder hob sie eines von ihnen heraus, betrachtete die Etiketten, die sie stets eigenhändig zu beschriften und aufzukleben pflegte. Bei einem stutzte sie, hob die Phiole näher vor die Augen, studierte wieder und wieder den Zettel darauf, bevor sie sie behutsam zu den anderen zurückstellte. »Gewiss gibt es hier am Hof den ein oder anderen, der seinen Nutzen daraus ziehen würde, sollte mein Gemahl dank meiner vermeintlichen Mordtat sein Herzogtum aufgeben müssen«, wandte sie sich erneut an den Wundarzt. »Allein die Katholischen wären froh, wenn der Versuch des ersten protestantischen Herzogtums schon nach wenigen Jahren scheiterte. Im Handumdrehen gäben sich diejenigen, die Albrecht leichtherzig zum Luthertum gefolgt sind, wieder papst- und kaisertreu, sollten dadurch ihre Pfründe gesichert bleiben.«
    »Nein!«, rief die Hofmeisterin aus. Überrascht drehten Dorothea und Hornberger sich zur Tür um. Die schwarzgewandete Hofmeisterin verharrte auf der Schwelle. Das Gesicht schimmerte im schräg einfallenden Sonnenlicht aschfahl. Dorothea erschrak, war der Schöninger doch deutlich anzusehen, wie sehr sie mit einer heftig aufsteigenden Übelkeit kämpfte. Voller Furcht suchte sie Dorotheas Blick, reckte ihr flehentlich die Hände entgegen. Dabei gewahrte Dorothea die kleine braune Phiole, die die Hofmeisterin mit ihren Fingern fest umklammert hielt.
    »Die Essenz«, schrie sie, packte Hornberger am Arm, »sie hat die vergiftete Essenz genommen!«
    Ehe der Wundarzt sich rühren konnte, stürzte sie zu der nach vorn taumelnden Frau, fing sie auf. Endlich erwachte Hornberger aus seiner Starre und half ihr, die Hofmeisterin behutsam auf den Boden zu legen. Dorothea ließ sich neben ihr nieder und bettete ihren Kopf auf den Schoß. Schweiß perlte an den grauen Schläfen herunter. Sanft strich Dorothea das nasse Haar beiseite, tupfte mit dem Zipfel ihres Ärmels die hohe Stirn der Hofmeisterin. Die Schöninger blickte unruhig umher, bis sie Hubertus erspähte, der wenige Schritte entfernt stehen geblieben war. Auf einmal meinte Dorothea, einen freudigen Glanz in dem Blau ihrer Augen zu erkennen.
    »Warum habt Ihr das getan?«, fragte sie leise.
    Die Schöninger konnte nicht antworten. Ein heftiger Krampf erfasste ihren gedrungenen Leib, zwang sie, sich zur Seite zu krümmen. Ihr Gesicht verzog sich zu einer schmerzerfüllten Grimasse. Mit letzter Kraft würgte sie etwas hinunter, schnappte nach Luft, ballte die Fäuste, um Dorothea schließlich direkt anzusehen.
    »Hubertus, er war wie mein kleiner Lorenz«, begann sie mit brüchiger Stimme, hielt inne, zwang wieder etwas die Kehle hinunter, um es ein zweites Mal mit dem Sprechen zu versuchen. »Seine roten Locken, die flinken Augen, das kluge Gemüt, alles ganz genau wie er.«
    »Vom wem redet Ihr? Wer ist Euer Lorenz?« Dorothea wollte nicht so recht begreifen, was die Hofmeisterin da gerade erzählte. Sie war Witwe, kinderlos und ohne nähere Verwandtschaft, zumindest hatte man ihr das versichert, als sie die Schöninger vor wenigen Wochen an den Königsberger Hof geholt hatte. Langsam aber stieg da noch ein Bild vor ihre Augen. Sie sah ihre eigenen Kinder, die winzige Katharina, die kaum mehr als einen Schrei auf Gottes Erden getan und dann wieder

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