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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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zusammengebundenen Mund und schaute mehr als genau hinein, besah sich die Nasenlöcher und legte zu guter Letzt das Ohr auf die schmale Brust, um eine Weile andächtig zu lauschen. Mit einem entschlossenen Ruck richtete er sich wieder auf und suchte erst Doktor Wildes und dann Dorotheas Blick, schmunzelte siegesgewiss. »Es war Gift.«
    »Was?« Die Schöninger schrie so schrill auf, dass Hubertus und die beiden anderen Zwerge in ein klägliches Wimmern ausbrachen und sich, die Hände auf den Ohren, von ihrer Beschützerin wegduckten. Der Hofmedicus kniff verärgert die Lippen zusammen und musterte den Wundarzt abschätzig. Dorothea schnappte nach Luft, betrachtete Hornberger zugleich neugierig. Seiner schlichten, an vielen Stellen bereits geflickten Kleidung, die aus einem hellen Faltrock, rot-braun gestreiften Strumpfhosen sowie abgestoßenen schwarzen Kuhmaulschuhen bestand, war bereits anzusehen, um wie viel niedriger sein Status im Vergleich zu dem des Hofarztes war. Dennoch wusste Dorothea, warum sie ihn hatte aufs Schloss rufen lassen. Während im letzten Herbst der Englische Schweiß am Pregel gewütet hatte, war der Wundarzt unerschrocken an jedes Krankenlager getreten, um zu retten, wer noch zu retten war. Hofarzt Wilde dagegen war als einer der Ersten unter einem fadenscheinigen Vorwand aus der Stadt verschwunden.
    »Wie kommt Ihr zu dieser Vermutung?«, erkundigte sie sich. »Habt Ihr vielleicht schon Genaueres im Blick?«
    »Niemals kann er ...«, hob Wilde mit einem verzweifelten Augenrollen an und reckte sich dabei so jäh auf die Fußspitzen, dass sein Kopf an die Decke stieß. Der schmerzhafte Aufprall ließ ihn sofort verstummen. Kleinlaut rieb er sich den Kopf.
    »Nach allem, was wir aus den Berichten der anderen Zwerge wissen, muss es Gift gewesen sein«, erklärte der Wundarzt. »Arsenik vermutlich.«
    »Arsenik?« Dorothea spürte, wie ihr das einerseits zwar die Angst vor der Seuche nahm, andererseits aber für neue Aufregung sorgte. Kurz äugte sie zu ihrer Hofmeisterin, las an dem weiterhin erschreckend blassen Gesicht jedoch gleich ab, wie wenig Unterstützung derzeit von ihr zu erwarten war. »Wer um alles in der Welt tut das den Ärmsten an?«, wandte sie sich wieder an Hornberger. »Und wie kommt das Gift überhaupt hierher?«
    Gleich lief sie zu Hubertus, zog ihn entschlossen von der Hofmeisterin fort und sah ihn eindringlich an. »Was haben die drei anderes gegessen als ihr? War jemand bei euch, der ihnen etwas Besonderes zugesteckt hat? Los, erzähl alles, was du weißt!«
    Sie rüttelte ihn an den Schultern. Der rothaarige Bursche hielt den Kopf gesenkt, hatte die Schultern hochgezogen und schwieg. Ihr Griff wurde fester, vor Schmerz jaulte er auf. Erschrocken ließ sie ihn los. Ihr Blick fiel auf die anderen beiden, die sich, kleinen Kindern gleich, in den weiten Falten des Rocks der Hofmeisterin zu verbergen suchten. Die Hände der Schöninger ruhten auf ihren zarten Rücken. Noch immer wirkte die Hofmeisterin, als wäre sie vor wenigen Augenblicken dem Leibhaftigen begegnet. Dorothea ging in die Knie, berührte einen der beiden Zwerge sanft am Arm. Die zwei übrig gebliebenen Gefährten von Hubertus weilten erst seit wenigen Wochen am Pregel und verstanden nur wenig von dem Gesagten. Trotzdem war ihnen anzusehen, wie nah auch ihnen das jüngste Geschehen ging. Aus weit aufgerissenen dunklen Augen schauten sie zu ihr herauf. Anders als Hubertus besaßen sie beide ebenso dunkle Haut wie Haare und hatten sich nur äußerst widerstrebend in die bunt gestreifte Kleidung mit den Narrenschellen und der Zipfelmütze stecken lassen. Langsam und betont deutlich sprach Dorothea sie an. »Könnt ihr etwas dazu sagen?«
    Daraufhin verbargen die beiden ihre Köpfe noch tiefer im schwarzen Samtrock der Hofmeisterin. Die Schöninger tätschelte ihnen die Schultern und erklärte an ihrer statt: »Sie verstehen Euch nicht.«
    Seufzend richtete sich Dorothea wieder auf und streckte Hubertus die Hand entgegen. »Komm mit mir. Wir gehen in meine Gemächer und holen euch etwas von meiner Bernsteinessenz. Das wird euch beruhigen und neue Kraft schenken.«
    »Nein!« Abwehrend hob der rotgelockte Zwerg plötzlich die Hände, schüttelte so heftig den Kopf, dass die Schellen an den Zipfeln wild klingelten. Selbst seine Sommersprossen wirkten auf einmal noch farbloser als vorhin. »Wir brauchen Eure Bernsteinessenz nicht.«
    »Warum? Sonst freust du dich doch auch, wenn ich dir davon anbiete. Du weißt, wie

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