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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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hinter ihm her.
    »Na, dann wollen wir doch mal sehen«, sagte der Weißhaarige und beugte sich über die braungelb verfärbte Leiche, die besonders an den Extremitäten violett verfärbt war. Er deutete auf die Plastiktüte, aus deren Verschnürung wässeriges Blut sickerte. »Hat wohl Angst gehabt, das Zeug zu schlucken. Jedenfalls nicht angenehm, in dieser Brühe zu ersticken.« Er tippte an seine Nase. »Schweinescheiße, was?«
    »Ein Zwischenlager von Kröger«, sagte der Treckerfahrer und deutete mit dem Kinn auf eine von Bäumen überragte Hecke, hinter der unter einem roten Ziegeldach die weiße Fassade eines Hauses zu erkennen war. »War früher mal eine Sickergrube für sein Haus. Ich sollte das mal wieder leer pumpen. Aber dann sah ich, dass der da aufschwamm. Und dann hab ich das Revier in Lemförde angerufen.«
    »Um acht Uhr zweiundzwanzig«, sagte Bossen.
    »Hat das Kind schon einen Namen?«
    »Wir vermuten, dass es sich um einen gewissen Thorsten Böse handelt, Herr Doktor.«
    »Wolfhardt Böses Ziehsohn?«
    »Genau der«, sagte Hildebrandt mit verkratzter Stimme, während sie das Taschentuch im Ärmel ihrer blauen Jacke verschwinden ließ. »Hauptkommissar Bossen kennt ihn und könnte ihn identifizieren, wenn Sie die Plastiktüte entfernt haben.«
    »Schere«, knurrte der Arzt und hielt seinem Assistenten die flache Hand hin. Mit einem raschen Schnitt durchtrennte er das Dekorationsband und wich zurück, als sich ein Schwall geronnenes Blut über den Hals auf den Betonuntergrund ergoss. »Das sieht nicht nach Ersticken aus«, murmelte er, griff mit beiden Händen zu und zog mit einem Ruck die Plastiktüte vom Kopf des Toten.
    »Ach du Scheiße«, sagte der Treckerfahrer und begann zu würgen. Hildebrandt biss sich auf die Lippen. Bossen schloss die Augen. Steinbrecher drückte auf den Auslöser der Kamera. Lorinser spürte nichts weiter als ein unbestimmtes Bedauern über dieVerschiebung des Bildes, dass in seinem Kopf aus Jimmy Dean einen leblosen Haufen Fleisch gemacht hatte. Zweifel an dessen Identität hatte er nicht.
    Das Gesicht war dunkelblau-gelblich angelaufen. Die weißen Lippen wie zu einem Schrei aufgerissen, das Gebiss jedoch bot den Anschein fröhlichen Gelächters. Das linke Auge war geschlossen, das rechte war aus der Höhle getreten und starrte milchig verfärbt auf den Beton. Über der rechten Augenbraue war ein tiefer Krater. Aus den von hellblondem Haar umgebenen Brüchen drang graugelbe, mit Blut vermischte Gehirnmasse und rann in Richtung des Ohres. Um den nur wenig verfärbten Hals liefen zwei breite blauviolette Streifen. Der Arzt erhob sich, streifte die Latexhandschuhe ab und sah dabei Bossen an.
    »Ich stelle den Tod der Person fest«, sagte er. »Damit war’s das erst mal für mich.« Ein fragender Blick in Richtung Bossen. »Und für Sie?«
    »Ich habe keinen Zweifel«, sagte Bossen in einem Ton, als verkündete er Apokalyptisches von der Kanzel. »Das ist Thorsten Böse.«
    »Der arme Hund«, sagte Herbert Dischen, der Treckerfahrer.
    Kriminalrat Timmermans saß im grauen Zwirn und weinroter Krawatte präsidial am Kopfende des Besprechungstisches und hämmerte mit dem Bleistift auf die leere Seite eines Spiralblocks. Zu seiner Rechten KHK Hildebrandt im königlich blauen Kostüm mit vergoldeten Knöpfen und einem Gesicht, das trotz der alt­rosa lackierten Lippen und der ins Nichts gerichteten Blicke nach Magenschmerzen aussah. Vielleicht dachte sie an das mit Lorinser geführte Telefongespräch, an ihre Anweisung, die Ermittlungen im Fall Böse einzustellen. Vielleicht war sie auch in Sorge, ihre strategisch falsche Entscheidung könnte auf sie zurückfallen und an dem Goldglanz ihrer Kompetenz kratzen.
    Nach dem Abtransport der Leiche, als auch die Spurenleute ihre Utensilien eingepackt hatten und der Tatort sich in einevon vielen stinknormalen Güllegruben zurückverwandelt hatte, war sie zu ihm gekommen und hatte so freundlich wie beiläufig bemerkt, mit dem Fund der Leiche sei eine neue Situation eingetreten, die nicht nur neu zu bewerten, sondern mit Priorität voranzutreiben sei. »Ich zähle auf Ihre volle Unterstützung, Herr Kriminalobermeister. Auch wenn wir gemeinsam dem Vater des Opfers die schlechte Nachricht überbringen.«
    »Selbstverständlich«, hatte er nur lächelnd geantwortet. Jetzt aber, nach dem ergebnislosen Besuch bei Böse, nach einigen vergeblichen Anrufen und während der eilends angesetzten Fallbesprechung, fühlte er im Bauch jene

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