Bitteres Geheimnis
sondern behält es; die Chromosomen, die in ihm enthalten. sind, verbinden sich mit denen im ersten Polkörperchen. Das nicht ausgestoßene Polkörperchen wird im Effekt zum männlichen Zellkern und verschmilzt mit dem weiblichen Zellkern, und es bildet sich die Zygote. Wenn das Ei dann einem Stimulus ausgesetzt wird, chemischer oder anderer Art, setzt die Furchung ein, und da die Zelle die notwendigen sechsundvierzig Chromosomen enthält, kann das Ei normal reifen.«
»Was für Versuche mit Säugetieren hat man denn gemacht?«
»Das Verfahren ist einfach. Die Eizellen von, sagen wir Kaninchen, werden in ein Medium aus Blutplasma und Embryoextrakt eingelegt. Dann unterwirft man sie einem Kälteschock, und dadurch werden sie aktiviert. Die Eizellen, die sich zu teilen beginnen, werden in die Eileiter von Kaninchen eingeführt, die man vorher mit Schwangerschaftshormonen gespritzt hat, damit der Körper die transplantierten Zygoten nicht abstößt. Die Eizellen, die sich über das Blastozytenstadium hinaus entwickeln und nicht auf operativem Weg entfernt werden müssen, gelangen im allgemeinen zur vollen Reife.«
»Dr. Henderson. Jonas Wade hatte Mühe, seine Erregung zu beherrschen. Sie hatte ihm schon weit mehr gesagt, als er zu hoffen gewagt hatte. »Wie sieht es beim Menschen aus? Können Sie mir darüber etwas sagen?«
Ihre Miene blieb unverändert. »Aber gewiß. Spontan oder künstlich induziert?«
»Spontan.«
»Gut. Über menschliche Eizellen sind Hunderte von Studien gemacht worden, Dr. Wade, und bei einigen Untersuchungen stellte man fest, daß bei einer kleinen Zahl von Eizellen, die man den Eileitern entnahm, die Furchung bereits vor Verlassen des Eierstocks begonnen hatte; das heißt, ohne daß sie mit einem Spermium in Berührung gekommen waren. Ich glaube, die Rate belief sich ungefähr auf sechs von vierhundert. Einige Studien, die vor zwanzig Jahren in Philadelphia durchgeführt wurden, ergaben, daß ungefähr null Komma fünfundsiebzig Prozent aller menschlichen Eizellen sich bereits in parthenogenetischer Entwicklung befinden, ehe sie den Weg durch den Eileiter antreten. Doch die meisten dieser reifenden Eier werden bei der Ovulation oder der Menstruation ausgestoßen, oder aber sie wuchern zu Dermoden oder Tumoren, die dann operativ entfernt werden. Es gibt Forscher, die behaupten, einige wenige dieser Eizellen entwickelten sich normal. Ein Wissenschaftler ging sogar so weit zu schätzen, daß auf tausend Geburten ein Fall von Parthenogenese komme.«
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
Dr. Henderson lachte. »Nein, Dr. Wade, ich zitierte lediglich einen Kollegen. In der Wissenschaft gibt es wie überall die Extreme. Andere Wissenschaftler zum Beispiel schwören Stein und Bein, daß Parthenogenese beim Menschen absolut unmöglich ist.«
»Wo stehen Sie?«
»Ich schließe die Möglichkeit jedenfalls nicht aus.«
»Und wie sieht es mit der Wahrscheinlichkeit aus?«
»Die meisten meiner Kollegen würden sagen, ein Fall bei einer Million Geburten. Ich neige zu einer Schätzung von eins zu fünfhunderttausend.«
Jonas starrte die Embryologin ungläubig an. »Aber das ist ja unfaßbar! Wieso ist darüber nicht mehr gearbeitet worden? Wieso gibt es keine Berichte? Das ist doch eine hochexplosive Sache.«
»Genau aus diesem Grund gibt es so wenig Material darüber, Dr. Wade. Weil die Sache explosiv ist. Wir sprechen hier von der menschlichen Sexualität, einem ganz heiklen Thema. Wenn Sie das Thema der Parthenogenese angehen, treten Sie damit nicht nur den Theologen auf die Zehen, sondern auch den Moralisten, den Psychologen und selbstgerechten Müttern und Vätern auf der ganzen Welt. Jeder Forscher, der mit diesem Thema an die Öffentlichkeit treten will, muß seine Theorie mit Beton untermauern können; er wird kämpfen müssen wie ein Berserker, und er muß gleich einen ganzen Sack voll Beweise präsentieren können. Sonst macht man ihn fertig. Hätten Sie den Mut, Dr. Wade?«
Sie hatte natürlich völlig recht. Dieses Gebiet war in der Tat ein sehr heißes Eisen. Wenn andererseits einer tatsächlich beweisen konnte
»Ich verstehe immer noch nicht«, sagte Jonas langsam, »wie es zu spontaner Parthenogenese kommen kann.«
»Da gibt es viele Möglichkeiten, Dr. Wade: Es ist nichts weiter erforderlich als die gleichen Umstände, die im Labor künstlich hergestellt werden. Als Auslöser zur Zellteilung ist nur ein Stimulus nötig, der den Platz des Spermiums einnimmt, wie die Kälte
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