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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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mich. Aber Johan versteht mich nicht und sagt, wenn er krank wäre, dann würde er nicht wollen, dass ich und Sigge bei ihm blieben. Was ist das denn für ein Argument, schließlich bin ich krank, und ich möchte, dass er und Sigge bei mir bleiben. Ich spüre plötzlich Hass. Ich werde eiskalt.
    »Das werde ich dir nie, niemals verzeihen, verstehst du das?«
    Johan schaut hilflos und geht hinaus, um ein Taxi zu rufen.
    Im Krankenhaus ist es voll, und wir werden in ein Mehrbettzimmer eingewiesen. Ich schaue Johan an und hasse ihn, weil er so zufrieden guckt.
    »Verstehst du jetzt, dass ich nicht bleiben kann?«, sagt er mit Bedauern in der Stimme. Ich schaue die Frau im weißen Kittel an, die neben uns steht. Sie schaut mir nicht in die Augen, sondern betrachtet ihren Piepser, an dem sie nervös herumfingert.
    »Leider haben wir heute kein Einzelzimmer. Ich fürchte, dein Mann und dein Kind können heute Nacht nicht hierbleiben«, sagte sie leise.
    Ahnt sie meine Verzweiflung? Spürt sie meinen Schweißgeruch? Weiß sie, dass hohes Fieber einen enthemmt und wahnsinnig macht?
    Wieder fließen Tränen. Ich gewöhne mich allmählich daran. An mein rot geschwollenes Gesicht, in dem die Tränen und der Rotz gar nicht mehr trocknen. Ein Stöhnen bildet sich in meinem Bauch, wächst in den Hals hinauf. Ich weine auf eine Art, wie ich noch nie geweint habe, laut und guttural. Ich jaule wie ein verletztes Tier, es klingt hässlich, und ich verstehe, dass es der normalen Welt, der ich nicht mehr angehöre, peinlich ist. Ich höre, wie die Schwester den Raum verlässt und Johan versucht, sich neben mich auf das schmale Bett zu setzen. Ich schubse ihn weg, nehme Sigge und krieche mit ihm zusammen unter die Decke. Ich streichle über seinen kleinen Kopf, schaue sein schönes, schlafendes Gesichtchen an. Mein geliebtes Kind, das allerschönste Baby, ich spüre im ganzen Brustkorb einen ganz besonderen Liebesschmerz.
    Ich weiß nicht, wie lange wir so daliegen. Johan sitzt schweigend in einem hellrosa Plastiksessel und schaut aus dem Fenster. An der Wand über ihm hängt ein Bild. Das Aquarell einer Blumenwiese mit harmlosen Blümchen. Im Hintergrund ein Sonnenuntergang, der alles rosa färbt. Mein Humor ist mir schon lange abhandengekommen, und ich muss daran denken, wie sehr ich rosa hasse, die hässlichste aller Farben, rundum ekelhaft und doch so oft verwendet.
    Nach einer Weile sehe ich, wie Johan seine Sachen zusammenpackt. Er zieht seinen Mantel an und macht sich fertig zum Gehen. Er steht an meinem Bett und versucht, mir in die Augen zu schauen, aber ich erwidere seinen Blick nicht. Plötzlich geht die Tür auf, und die Frau im weißen Kittel betritt das Zimmer. Sie kommt geradewegs auf mein Bett zu und sieht freudig aus.
    »Wir haben jetzt doch ein Einzelzimmer für euch gefunden!«, sagt sie stolz. »Die kleine Familie kann also zusammenbleiben!«
    Johan runzelt die Stirn, lässt jedoch die Tasche, die er fest in der Hand hält, nicht los. Sie redet fröhlich weiter.
    »Weil du so verzweifelt warst, hast du uns so leidgetan, und ja, nun könnt ihr bleiben«, sagt sie und schaut Johan an. Er sieht zuerst sie steif an und dann mich.
    »Aber … ich glaube wirklich, dass es das Beste für uns alle ist, wenn ich mit Sigge nach Hause fahre.«
    Nun erwidert Johan meinen Blick nicht. Ich sehe, dass er sich schämt und wütend ist, und ich höre, wie er versucht, freundlich zu klingen.
    »Es ist schon spät, Sara, du musst jetzt schlafen, und wir kommen morgen früh wieder.«
    Ich sehe sein abgewandtes Gesicht und mir wird klar, dass ich keine Kraft zum Streiten mehr habe. Das Schmerzmittel wirkt nicht mehr und ich spüre, wie das Fieber wieder steigt. Der wohlbekannte Schüttelfrost breitet sich im Körper aus, und ich fange an zu zittern. Ich sage nichts und weiß, dass mein Schweigen ihn nervös macht.
    »Nun ja, ihr macht, was ihr wollt«, sagt die Frau im weißen Kittel verwirrt und lässt uns allein.
    Johan hat Sigge hochgenommen und zieht ihm den Overall an. Ich verweigere immer noch den Kontakt. Vielleicht fühlt es sich so an, wenn man apathisch wird?, denke ich.
    Als ich aber sehe, wie Sigge in der Autoschale, die Johan trägt, das Zimmer verlässt, kommt wieder Leben in mich. Irgendetwas in meinem Gehirn zerspringt, und ich stehe ganz schnell auf und will hinterherlaufen. In meiner halb psychotischen Fieberwelt sehe ich, wie ein Monster mein Kind kidnappt und ich es retten muss. Aber die Operationsnarbe tut so weh, dass

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