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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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wirklich kenne. Ich will dem nicht nachspüren. Ich habe genug von Angst und Sorgen. Ich will wieder fröhlich sein, will auch erleben, wie es ist, eine glückliche junge Mutter zu sein. Ich habe auch keine Zeit zu trauern. Johan arbeitet, und ich bin tagsüber mit Sigge allein. Ich eile durch die Tage, sehe zu, dass die Stunden schnell vergehen.
    Während dieser Zeit bekomme ich zu hören, wie ich strahle. Und ich strahle tatsächlich.
    Schlaflosigkeit kann einen zu Beginn manisch machen, und mir ist schwindelig vor Schlafmangel. Es ist nicht unangenehm, eher wie leicht betrunken zu sein. Erst nach einer Weile macht der Schlafmangel einen müde und wahnsinnig. Richtig müde werde ich, als Johan nach Skellefteå verschwindet und mit den Proben für seine Theateraufführung beginnt. Zehn Wochen lang ist Johan von Montag bis Freitag weg.
    Die erste Woche geht gut. Am Freitagabend erwarte ich ihn mit Rotwein, Pizza und jeder Menge Sehnsucht. Wir geraten nur leicht aneinander, als ich spüre, dass Johan abwesend und müde ist. Er kann nicht darüber reden, sitzt nur da, beschäftigt mit seinen Gedanken. Wir schlafen schwer, aber ich werde bald wieder von Sigge geweckt. Johan schläft weiter. Wie viele Männer hat er die unglaubliche Fähigkeit, gut und tief zu schlafen, auch wenn neben ihm die Welt untergeht. Oder wie jetzt, wenn unser Kind wimmert und unruhig schläft und eine Weile herumgetragen werden muss, um wieder einzuschlafen.
    Die zweite Woche geht weniger gut. Ich überlebe den Alltag, habe aber immer einen schlechten Geschmack im Mund. In mir wächst der Ärger und bekommt solche Proportionen, dass er sich nicht mehr verdrängen lässt.
    Am Freitagabend streiten wir darüber, dass ich das Wochenende brauche, vor allem die Nächte, um mich auszuruhen. Johan findet das nicht selbstverständlich, er ist auch müde nach einer Arbeitswoche.
    Ich kann das nicht verstehen, schließlich kann er fünf Nächte ungestört schlafen. Wieder bekomme ich so eine schreckliche Ahnung, ein Gefühl, dass ich ihn eigentlich nicht kenne, den Mann, mit dem ich jetzt sieben Jahre zusammenlebe.
    Alles ist unwirklich, der Boden unter meinen Füßen schwankt. Ich weiß nicht, wie ich ihm begreiflich machen soll, was es heißt, mit einem drei Monate alten Baby Tag und Nacht allein zu sein. Das kann man nicht verstehen, wenn man es nicht erlebt hat. Schließlich siegt meine Hysterie, und mein Schreien übertönt Johan. Er gibt auf, ahnt er vielleicht, wie nahe ich an der Grenze bin? Die Nächte am Wochenende gehören mir, es ist eine kleine Möglichkeit zu überleben, und ich klammere mich daran fest.
    Die Tage sind ausgefüllt mit Spazierengehen, Einkaufen, stundenlangen Cafébesuchen mit Freundinnen, Babyschwimmen, Babykino, Museumsbesuchen, Shopping. Ich habe jeden Tag unglaublich viel vor, einen Stundenplan, den ich penibel einhalte. Ich habe Todesangst vor den stillen Abenden allein, wenn die Gedanken mich übermannen.
    Sigge schläft gut im Wagen, und wenn er wach ist, ist er fröhlich. Er schaut sich neugierig die Welt an und weint nur, wenn er Hunger hat. Mein geliebtes Kind, mein bester Freund und meine unbezwingbare Okkupationsmacht.
    Im Kinderzentrum muss ich einen Fragebogen ausfüllen, die Sozialarbeiterin Monika erklärt, dass die Befragung dazu dient, diejenigen aufzufangen, denen es schlecht geht, und ihnen Hilfe anzubieten. Die Fragen handeln davon, wie ich den Alltag erlebe. Habe ich Ängste? Habe ich Probleme, aus dem Haus zu gehen und etwas zu unternehmen? Ich habe schreckliche Angst, dass sie merkt, wie unglücklich ich bin. Ich kreuze immer an, dass es mir prima geht. Dass ich schlafen kann, dass ich jeden Tag etwas unternehme, dass es in meinem neuen Leben als Mutter eigentlich überhaupt keine Probleme gibt …
    Monika schaut sich meine angekreuzten Antworten erstaunt an.
    »Sooo … das sieht ja toll aus … die meisten finden es am Anfang ziemlich anstrengend, bis sich alles eingespielt hat …«
    Ich erkläre, dass es für mich ganz am Anfang, als ich krank war, anstrengend war. Verglichen damit ist jetzt alles superprima. Monika schweigt ziemlich lange, vielleicht durchschaut sie meinen Selbstbetrug. Sie kann ja nicht ahnen, dass mein Problem nicht der Mangel an Aktivitäten ist, sondern im Gegenteil, dass ich nie innehalte und mich ausruhe.
    »Klar, die Nächte sind schon ein bisschen anstrengend …«, sage ich, um etwas glaubwürdiger zu klingen.
    »Ja, das geht allen so«, sagte Monika und beschließt,

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