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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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dennoch nicht, wie schockiert er war, als er begriff, dass ich den gleichen Plan gehabt hatte.
    Das passte nun wiederum nicht zu seinem Weltbild, wer eroberte und wer erobert würde.
    Er kam nie wieder, und ich hatte ein weiteres Mal verstanden, dass ich gegen eine ungeschriebene Regel verstoßen hatte.
    Dass kleine, geknutschte Dreizehnjährige Gerüchte über ihre gleichaltrigen Kameradinnen verbreiten, ist vielleicht nicht so merkwürdig, wenn man bedenkt, dass sogar Anwälte im Anzug bei ihrer Verteidigung von Vergewaltigern Frauen als Huren bezeichnen. Mein erstes Interview mit so einem Anwalt stand im Zusammenhang mit einer Dokumentation über eine Gruppenvergewaltigung in Södertälje, wo ein Mädchen, das gehofft hatte, von der Disco nach Hause gefahren zu werden, von mehreren Männern mehrmals vergewaltigt wurde. Sie fuhren einfach eine Nacht lang mit ihr herum und vergewaltigten sie auf einem Schulhof, in einem Schwimmbad, auf einem Parkplatz, in einer Wohnung. Sie waren immer zu mehreren, während sie allein und betrunken war.
    In dem folgenden Gerichtsverfahren trat ein Dilemma zutage. Das Gericht war der Meinung, dass sie zu betrunken war, als dass es als Vergewaltigung bezeichnet werden könnte – bei einer Vergewaltigung muss das Opfer physischen Widerstand leisten, und das hatte sie nicht. Aber sie war auch nicht betrunken genug, damit der Fall als sexuelle Nötigung bezeichnet werden konnte, was die mildere Form des sexuellen Übergriffs ist. Denn, so meinte das Gericht, sie erinnerte sich an zu viele Einzelheiten der Ereignisse während der Nacht, und damit ein Fall als sexuelle Nötigung gelten kann, muss man so besinnungslos betrunken sein, dass man mehr oder weniger bewusstlos oder sonstwie in einer hilflosen Situation ist.
    Obwohl sie allein und die Täter zu mehreren waren, befand das Gericht, dass sie nicht hilflos war. Im Gegenteil, sie schrieben im Urteil, es sei bemerkenswert, dass sie nicht versucht hatte zu fliehen, obwohl es mehrere Gelegenheiten dazu gegeben hatte.
    Björn war der erste Verteidiger, den ich befragte. Ein Mann Anfang sechzig mit einer großen Kanzlei in einer Hauptstraße von Södertälje, der für sein Leben gern Golf spielte, wie er mir erzählte. Besonders bemerkenswert an diesem Fall war, fand Björn, dass die Frau im Ruf stand, eine Hure zu sein.
    »Sie hat selbst erzählt, sie sei sofort als Hure bezeichnet worden, als sie nach Sorunda kam. Sie hatte keine Erklärung dafür, und es ist doch merkwürdig, dass man gleich als Hure bezeichnet wird, wenn man gerade an einen Ort gezogen ist und die Leute einen noch gar nicht kennen können.«
    »Aber inwiefern vermindert das ihre Glaubwürdigkeit?«, fragte ich.
    »Das mindert ihre Glaubwürdigkeit deshalb, weil es ja einen Grund für das Gerücht geben muss, wenn es denn wahr ist. Das heißt, sie hatte zuvor sexuelle Beziehungen, flüchtige sexuelle Beziehungen.«
    Ich verstand diese Schlussfolgerung nicht und war auf diese Art von Argumentation nicht vorbereitet, ich fragte also, wie er das meinte. Björn verstrickte sich immer weiter in merkwürdige Erklärungen, und schließlich sprach er davon, wie hässlich sie war. Dass sie aufgrund ihres Aussehens nicht daran gewöhnt war, von Männern angesprochen zu werden, und deshalb – unterstellte er – so geschmeichelt von der Aufmerksamkeit dieser Kerle gewesen war, dass sie sich auf alles eingelassen hatte.
    Die anderen beiden Anwälte, die ich in diesem Zusammenhang traf, jeweils allein und bei verschiedenen Gelegenheiten, sprachen auch davon, wie hässlich sie war und dass sie, wie gesagt, im Ruf stand, eine Hure zu sein, und so ein Gerücht entstehe ja nicht ohne Grund …
    »Sie war nicht direkt eine Greta Garbo«, sagte der eine.
    Ich werde niemals ihre teuren Anzüge, ihre geräumigen Anwaltskanzleien oder ihr achtbares Alter vergessen. Es ist für immer in mein Gedächtnis eingegraben. Ein Schlüssel dazu, was Hure eigentlich bedeutet: Macht über die Sexualität.
    Im Gerichtsverfahren verwiesen sie bei der Verteidigung der Männer erfolgreich sowohl auf den Ruf der Frau als auch auf ihre »Hässlichkeit«. Kein Richter unterbrach sie, keine Anwaltskammer kam hinterher mit einer Zurechtweisung. (Ich weiß es, denn ich habe bei der Anwaltskammer angerufen und gefragt, ob Anwälte wirklich solche Argumente in Gerichtsverfahren vorbringen dürfen, und sie dürfen, antwortete die Vorsitzende Anne Ramberg.)
    Ein paar Jahre später, bei einem anderen

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