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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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danach, hübsch zu sein. So äußert sie sich, die Gefallsucht.
    Das Gefühl, nicht gesehen zu werden, kann eine so heftige Sehnsucht hervorrufen, dass man zu fast allem bereit ist. Auch wenn das mangelnde Interesse meiner Eltern in gewisser Weise Freiheit bedeutete. Manchmal bin ich dankbar, dass sie mich nie gefragt haben, ob ich meine Hausaufgaben gemacht habe, wie die Klassenarbeit war, was ich zeichnete oder dachte. Bei manchen meiner Freunde aus der oberen Mittelschicht haben die Erwartungen der Eltern große Ängste und das Gefühl der Unzulänglichkeit ausgelöst.
    Aber es ist vielleicht doch einfacher, wenn die Erwartungen von den Eltern kommen und nicht von einem selbst. Gegen die Eltern kann man sich im besten Fall auflehnen, und ich stelle mir vor, dass das einfacher ist, als sich gegen sich selbst aufzulehnen.
    Mein Bedürfnis nach Bestätigung ist nie richtig verschwunden, es hat nur andere Formen angenommen.
    Als bei mir die ersten Zwangsvorstellungen einsetzten, ich sei ein Pfau, dämmerte es mir, dass mein Job mir nicht nur guttat. Mein Beruf als Journalistin war lange Zeit das einzige Gebiet, auf dem ich mich begabt fühlte, obwohl ich diese Art von Künstlerlegende eigentlich verachte, die Vorstellung, alles Ernstes zu glauben, dass manche einfach mit einer Begabung geboren werden. Etwas, was man hat oder nicht hat. Und wie durch Zufall sind die Menschen, die man als begabt bezeichnet, oft weiße Männer aus der Mittelschicht, und die besitzen auch die Macht, zu definieren, was ein Künstler ist.
    Wenn der Direktor der Theaterakademie zu Weihnachten und zum Ende des Studienjahrs seine Rede hielt, wurde mir jedes Mal übel. Es lief immer darauf hinaus, dass manche von uns begabte Künstler waren und andere nicht. Wie naiv, wie oberschichts-elitistisch und altmännerhaft!
    Aber trotzdem sprießte die Lust am Schreiben, und während meiner Zeit an der Akademie fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben gesehen und bestätigt und wirklich anerkannt.
    Das Schweigen, das beim Schwedischen Rundfunk herrschte, war ein Schock für mich. Ein Schweigen, das dröhnte, unter der Last der Knausrigkeit zusammenbrach und schließlich auf meinem empfindlichen Bedürfnis nach Bestätigung landete. Ich erinnere mich, wie erstaunt ich war, als meine erste Dokumentation gesendet wurde und niemand etwas sagte. Weder Vorgesetzte noch Kollegen. Ich dachte, die Welt würde stehen bleiben.
    Es dauerte Jahre, bis mir klar wurde, dass es nichts mit mir oder meiner eventuellen Begabung oder Unfähigkeit zu tun hatte, sondern dass es ganz einfach die dort herrschende Kultur war.
    Der Pfau tauchte zum ersten Mal in meinem Kopf auf, als ich einen Preis für eine Dokumentation bekam. Bis dahin war diese Art von Preisen ungefähr das Tollste, was ich mir an Bestätigung vorstellen konnte. Merkwürdigerweise spürte ich jetzt, wo es geschehen war, nichts. Ich freute mich kaum, und plötzlich, beim Radfahren, beim Einkaufen oder wenn ich Sigge aus der Kita abholte, tauchten Pfaue in meinem Kopf auf. Ich stand vor dem Spiegel und knotete ein gelbes Haarband und sah nur einen Pfau.
    Die Leere wurde plötzlich so sichtbar. Wie bei meiner Hochzeit, als alles Spaß machte, bis zu dem Punkt, als ich vor allen Gästen nach vorne gehen musste. Erst da wurde mir klar, welche Vorstellung die Hochzeit war. Eine Show, bei der wir vorgeführt und bestaunt wurden. Damals wie heute schämte ich mich, fühlte mich eitel und albern und hatte eine schlechte Haltung. Warum lag mir daran, diesen Preis zu bekommen? (Warum lag mir daran, zu heiraten?) Was ist das für ein Scheiß? Wetteifern im Radio!
    Und wieder saß ich bei Niklas, meinem Therapeuten und heulte, weil ich ein Pfau war.
    Warum leben so viele unglückliche Menschen weiter zusammen, jahrelang?
    Ich denke darüber beim Frühstück nach, während ich all die Paare beobachte. So ein Frühstücksraum in einem Hotel ist wie geschaffen für bitterfotzige Gedanken. Ich habe natürlich keine Ahnung, wie es ihnen wirklich in ihrer Ehe geht. Ich versuche herauszufinden, ob eines der Paare wirklich glücklich aussieht, und ich bilde mir ein, dass es etwas bedeutet, wenn sie alle irgendwie verkniffen und verlegen aussehen. Dass ein gedrücktes Schweigen herrscht.
    Ich sehe einen Mann, der eifrig mit den Armen gestikuliert, während er seiner Frau etwas erzählt. Es sieht zumindest so aus, als hätten sie es ein wenig nett miteinander, ihr Blick ist offen.
    Die Frauen in diesem Frühstücksraum

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