Bittersuess
vier Minuten sind rum. Ob ich vielleicht doch mal einen Blick riskieren sollte?
Nein, ich zwinge mich dazu, es nicht zu tun. Ich werde es ja schon in einer Minute erfahren.
‚Ha! Schon in einer Minute – wie willst du das aushalten?’
Dann – endlich, endlich – ist die Wartezeit herum. Ich kann jetzt draufgucken. Oder soll ich doch noch warten?
‚Jetzt mach endlich, du Feigling’ , feuere ich mich selbst an. ‚Los jetzt…’
Ich stehe vom Badewannenrand auf und gehe zum Waschbecken. Wie in Zeitlupe bewege ich mich darauf zu, ich kann schon von weitem erkennen, was dort angezeigt wird und mein Herz beginnt zu klopfen.
‚Schwanger! Stella Molina – du bist schwanger!’
Ich muss das erstmal in meinen Kopf kriegen. Ich bekomme ein Baby – nein, wir bekommen ein Baby. Nicolas und ich werden Eltern!
Es ist also doch was passiert – eigentlich sollte ich meinem Mann dafür die Ohren lang ziehen, denn das hier geht eindeutig auf seine Kappe.
Lächelnd denke ich an den Ausflug nach Buenos Aires, wir waren fünf Tage dort und ich hatte meine Pille vergessen mitzunehmen. Nicolas hat hoch und heilig versprochen aufzupassen, weil er keine Kondome benutzen wollte. Und ich habe ihm – blöd wie ich bin – natürlich vertraut. ‚Wie ein Teenie, Stella’ , rüge ich mich selbst.
Gut, ich hätte natürlich auch auf Kondome bestehen können, doch ich spüre Nicolas eben auch lieber ‚pur’.
Okay, ich bin also schwanger. Das war nicht gerade geplant, aber ich bin jetzt fünfundzwanzig und es ist auch nicht weiter schlimm. Und wenn es nach Marta gegangen wäre, wäre ich am besten schon mit dem zweiten Kind schwanger.
Ich muss in mich hineinlächeln. Wie wohl ein Kind von mir und Nicolas aussehen würde? Wie DIESES Kind hier wohl aussehen wird?
Ich stelle mir alle Möglichkeiten vor und der Gedanke an ein Baby krabbelt immer konkreter an mich heran.
‚Ich bekomme ein Baby’ , sage ich mir immer wieder – und das Strahlen kriege ich nicht mehr aus dem Gesicht.
Ich gehe zurück in mein Arbeitszimmer. Es ist September, seit genau zwei Jahren wohnen wir jetzt hier in diesem wunderschönen Haus. Mein Blick fällt auf den See.
Der See.
Oh Gott, wir brauchen einen Zaun! Nicht, dass das Kind ins Wasser fällt und ertrinkt!
‚Stella – es besteht aber nicht die Notwendigkeit, den heute schon anbringen zu lassen’ , ermahne ich mich selber und versuche mich wieder zur beruhigen.
Ich schaue auf die Kalkulation und die Zahlen der Fleischverkäufe, doch ich kann mich jetzt nicht mehr konzentrieren. Nicolas kommt erst in ungefähr drei Stunden zurück, bis dahin kann ich mir noch überlegen, wie ich es ihm am besten erzähle.
Es ist sowieso ein Wunder, dass er von dem Kauf des Schwangerschaftstestes nichts erfahren hat. Ich bin deswegen zwar extra weit gefahren, um eine möglichst entlegene Apotheke aufzustöbern, aber die Leute hier sind Klatschtanten und jeder kennt irgendwie jeden, es hätte mich nicht gewundert, wenn die Apothekerin, sofort nachdem ich aus dem Laden raus bin, bei Lucia angerufen hätte.
Also die Sache mit den Babyschühchen fällt schon mal weg, das wird mir jetzt zu knapp in der Zeit. Und auf Verdacht wollte ich keine kaufen, das hat mir nicht so behagt. Ein Ultraschallfoto muss natürlich auch warten. Das könnte Nicolas höchstens nachher selbst machen. Obwohl mir die Vorstellung nicht so sehr gefällt, dass er das gleiche Gerät benutzen könnte, wie bei den Tieren. Aber seit mein Vater ihm dieses mobile Ultraschalldings zum Geburtstag geschenkt hat, ist mein Mann nicht mehr zu bremsen. Wenn ich nur daran denke, wie oft schon Pepe und Lilly daran glauben mussten, weil Nicolas meinte, sie hätten was verschluckt. Selbst Martas neue Lieblinge, die Hühner, sind vor ihm nicht sicher gewesen. Erst nach strengem Durchgreifen hat er es dann gelassen, alles auszuschallen.
‚Ich sag’s ihm einfach’ , beschließe ich dann. Ich könnte noch sein Lieblingsessen kochen – aber eigentlich müsste ER MEINES kochen, denn ER hat ja wohl nicht richtig aufgepasst.
Ich knöpfe mir meine Jeans auf und betrachte mir meinen Bauch. Nix zu sehen.
‚Natürlich nicht – meine Güte Stella!’
Ich fühle mich auch gar nicht schwanger, mir ist nicht schlecht, nur meine Brüste sind ein bisschen empfindlicher als sonst.
Aber vielleicht kommt das noch.
Ich gehe wieder an meinen Laptop. Wozu gibt es denn Tante Google?
Ich finde auch an einen Schwangerschaftskalender – wie praktisch. Demnach
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