Bittersuess
hat, was passiert ist.“
„Ich wollte dich anrufen“, sage ich leise. „Ich habe ein paar Mal das Telefon in der Hand gehabt.“
„Eventuell haben sie mein Telefon abgehört, vielleicht war es ganz gut, dass du es nicht getan hast“, er rutscht näher zu mir und streichelt über meine Wange. „Warum hast du mich nicht verraten, Stella? Ich hätte es verdient gehabt.“
„Ich hätte das niemals gekonnt“, ich schüttele entschieden den Kopf.
„Ich kann mich immer noch stellen. Dann musst du nicht mehr lügen“, sagt er sanft.
„Das geht jetzt nicht mehr“, ich schaue ihn entsetzt an. „Ich würde genauso auffliegen wie du… Es ist vorbei und das ist auch gut so…“
„Und was hast du deinen Eltern gesagt, wo du jetzt bist?“, hakt er nach.
„Noch gar nichts. Ich hab gesagt, ich müsse mein Leben neu ordnen. Und das stimmt ja auch.“
„Und sie haben dich einfach so gehen lassen?“
„Nein, nicht einfach so. Ich hab versprochen, mich zu melden“, ich schlucke leicht. An meine Eltern darf ich gar nicht denken. Wie werden sie reagieren, wenn sie hören, wessen Bruder Nicolas ist?
„Wissen sie von mir?“
„Nein. Ich wusste nicht, wie es mit uns weitergeht, ob es überhaupt mit uns weitergeht. Ich wollte erst das Treffen mit dir abwarten.“
„Und – wie geht es weiter?“
„Sag du es mir“, ich schaue ihm tief in die Augen.
„Mir ist es vor drei Monaten schon schwer gefallen, dich gehen zu lassen. Damals war es die richtige Entscheidung. Die Lage hat sich zum Glück geändert: ich werde dich niemals mehr festhalten, Stella. Aber wenn es nach mir geht, dann lasse ich dich nie wieder fort.“
Ich kann es nicht verhindern, in meinem Hals macht sich ein dicker Kloß bemerkbar und eine Träne rinnt über meine Wange. „Wir schaffen das, oder?“
„Ich glaube, wenn wir es nicht schaffen – wer dann? Immerhin scheinen wir mehr als einen Schutzengel zu haben.“
„Ja, scheint so“, ich lächele ihn scheu an. „Glaubst du an so was wie Schicksal?“
„Seit ich dich kenne – definitiv ja“, grinst er mich an und gibt mir einen Kuss auf den Mund.
Ich erwidere ihn zärtlich und prompt setzt dieses Kribbeln wieder ein. Wie macht er das bloß?
Doch die Frage nach meinen Eltern bedrückt mich. Nur jetzt möchte ich nicht weiter darüber nachdenken. Ich will noch ein bisschen die Zeit mit Nicolas genießen, zu lange musste ich auf ihn verzichten.
Nur anrufen werde ich Papa schon, das muss ich tun.
„Was ist mit deiner Mutter?“, frage ich ihn dann.
Nicolas bekommt einen traurigen Ausdruck in den Augen und mir tut die Frage schon wieder leid.
„Sie ist wieder in Berlin. Nach der Beerdigung von Joaquin ist sie abgereist. Sie hat einen neuen Job und sie sagt, hier gibt es zu viele Erinnerungen an meinen Vater“, Nicolas nimmt meine Hand und spielt nachdenklich mit meinen Fingern. „Stella, ihr tut die ganze Sache unglaublich leid. Ich weiß, dass sie sich bei dir melden wollte, aber sie hat den Mut noch nicht dafür gefunden. Sie schämt sich für Joaquin und für mich. Bitte glaub ihr das“, er sieht mich so bettelnd an, dass ich ihm in diesen Moment alles verziehen hätte.
„Wieso schämt sie sich für dich?“, ich runzele die Stirn. „Du kannst doch nichts dafür.“
„Sie meint, ich hätte die Sache sofort beenden müssen. Und sie hat Recht damit. Joaquin ist eindeutig zu weit gegangen, aber ich konnte es einfach nicht“, fügt er leise hinzu.
„Ich weiß doch“, ich streichele ihm zärtlich durch die dichten schwarzen Haare und er zieht mich jetzt mit sich in die Kissen. Ich komme auf seinem Bauch zu liegen und dieser Blick, mit dem er mich jetzt ansieht, lässt meine Knie weich werden. Dann aber kommt mir seine Mutter wieder in den Sinn.
„Hast du noch Kontakt zu ihr?“, ich spiele mit dem Saum seines T-Shirts.
„Nein“, wieder entdecke ich diesen traurigen Ausdruck an ihm. „Sie hat gesagt, dass sie mir das nicht verzeihen kann und dass ich eine große Enttäuschung für sie bin. Ich kann sie verstehen. Nachdem was mein Vater so getrieben hat – und dann auch Jo – hat sie gehofft, dass wenigstens ich ein ‚guter’ Mensch werde“, Nicolas lacht bitter auf und setzt das Wort in Ausrufezeichen. „Sie hat kein Glück mit ihrer Familie gehabt.“
„Hör auf, Nicolas“, ich lege ihm einen Finger auf die Lippen. „Ich habe noch nie einen wundervolleren Menschen als dich kennen gelernt. Vielleicht braucht deine Mutter nur Zeit, um die Dinge so zu
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