Bittersüße Heimat.
handelt, telefoniert und bringt uns zu seinem Abteilungsleiter. Auf dem Gang durch die Flure sehen wir die beiden Schläger von vorhin, die friedlich nebeneinander auf der Bank vor einem Büro auf ihre Vernehmung warten.
Im Büro läuft der Fernseher, und hinter dem Schreibtisch sitzt ein Polizeioffizier mit drei Sternen auf den Schulterklappen seiner dunkelblauen Uniform. Er stellt sich vor und fragt nach unserem Anliegen. Ich schildere ihm den Fall, zeige ihm die Unterlagen, die Vollmacht, die Kopie der Nachricht von Interpol. Als ich die Äußerung der Mutter erwähne, dass in K. andere Gesetze herrschten als in Deutschland, meint er nur trocken: »Da irrt die Dame.« Er berät sich kurz mit einem in feines Tuch und mit perfekt sitzender Krawatte gekleideten Herrn, der im Büro sitzt und vom Offizier mit »Effendi« angeredet wird. Es ist der Polizeipräsident der Region, wie wir später erfahren. Die beiden Männer lächeln uns aufmunternd zu, telefonieren, und innerhalb von wenigen Minuten haben sie die Akte Fatma auf dem Tisch liegen. Sie zeigen mir Fatmas türkische Aussage, die auch nicht anders ist als die deutsche Übersetzung. Ich äußere meinen Zweifel, sie sei bestimmt nicht freiwillig zustande gekommen.
»Dann wollen wir die junge Frau doch selbst fragen«, beschließt der Offizier, ruft einen Beamten in Zivil zu sich, und der wiederum beordert einen Streifenwagen zur Wohnung von FatmasFamilie. Die sei nicht zu Hause, komme erst später wieder, meldet der Beamte am Funkgerät. Die gesamte Familie habe vor einer halben Stunde das Haus verlassen. »Hätten Sie die Mutter nicht angerufen, wäre Fatma jetzt vielleicht hier«, stellt der Polizist nüchtern fest und veranlasst die Fahndung.
Inzwischen ist es später Nachmittag geworden und wir müssen uns entscheiden, ob wir in der Stadt bleiben oder weiterfahren. Aber wir können derzeit ohnehin nichts weiter tun. Mit der Polizei verabreden wir, dass wir sofort benachrichtigt werden, falls Fatma gefunden wird, und nehmen den letzten Bus – mit einem unguten Gefühl, denn wir sind nicht sicher, ob die Sache gut ausgehen wird.
Am nächsten Morgen, wir sitzen in bitterer Kälte in einer der Raststätten Anatoliens und frühstücken, klingelt mein Handy. Der Polizist ist am Apparat. Sie haben Fatma nachts bei einer der Verwandten aus dem Bett geholt. Jetzt sitzt sie im Büro des Kommissars. Er gibt ihr den Hörer, damit ich mit ihr sprechen kann. »Willst du zurück nach Deutschland?«, frage ich sie. Sie sagt ja, unbedingt. Ich rate ihr, auf keinen Fall zu ihrer Familie zurückzugehen, sondern so lange bei der Polizei zu bleiben, bis sie zum Flughafen gebracht wird. Der Kommissar ist einverstanden, Fatma wird vorübergehend in einer Zelle untergebracht.
Ich telefoniere mit der deutschen Botschaft, die inzwischen geklärt hat, dass das Rote Kreuz den Rückflug bezahlt. Am nächsten Tag kann Fatma, von zwei Beamten zum nächsten Flughafen eskortiert, eine Maschine nach Deutschland besteigen.
Eine Geschichte mit Happy End?
Noch nicht.
»Werden sie mich am Leben lassen?«
Wir setzen unsere Reise in der Türkei fort, in Deutschland wird Fatma von der Flughafenpolizei in Empfang genommen. Sie soll vorerst wieder in einem Frauenhaus unterkommen, wo man eine sichere Bleibe für sie finden will. Aber kaum hat sie, noch am Flughafen, ihr Handy wieder eingeschaltet, ist ihr Cousin Ahmet am Apparat. Er freue sich, dass sie endlich vor dem schrecklichen Vater in Sicherheit und wieder in Deutschland sei. Er komme sieabholen, er werde sich um sie kümmern. Zu Ahmet hatte Fatma ein unbelastetes Verhältnis, ihn hatten auch ihre Freundinnen hin und wieder angerufen, um sich bei ihm wegen der Probleme zwischen Fatma und ihrer Familie Rat zu holen. Fatma ist überrascht und erfreut über seinen Anruf, vielleicht wird ja doch noch alles gut. Sie willigt ein, dass Ahmet sie abholt. Die Polizei lässt sich bestätigen, dass Fatma freiwillig mit dem Cousin mitgeht. Frau B., die auf allen Stationen dieser Geschichte mitgefiebert hat und ohne die Fatma längst vergessen wäre, kann es nicht fassen, denn schon am nächsten Tag ist die ganze Familie von Fatmas Heimkehr unterrichtet.
Der Vater ruft von der Türkei aus wieder eine Freundin von Fatma in Deutschland an und bedroht sie: »Ich werde dich finden und du wirst mir sagen, wer dafür gesorgt hat, dass die Polizei in mein Haus gekommen ist. Alle Beteiligten werden es zu spüren bekommen. Es gibt eine Menge hungriger
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