Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bittersüße Heimat.

Bittersüße Heimat.

Titel: Bittersüße Heimat. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Necla Kelek
Vom Netzwerk:
kleinen Appetithappen, der pilaw , der mit Rosinen, Pistazien, Granatäpfeln, Pinienkernen und Minze gewürzte Reis, sind aus der anatolischen Küche nicht wegzudenken und machen einen Teil ihrer Reize aus.
    Mit dem Islam tauchten bestimmte Verbote für die Ess- und Trinksitten auf. Der Koran gebietet in der Sure 2, Vers 172–73: »Ihr Gläubigen! Esst von den guten Dingen, die wir euch beschert haben! Und danket Gott, wenn ihr ihm dienet! Verboten hat ereuch nur Fleisch von verendeten Tieren, Blut, Schweinefleisch und Fleisch, worüber beim Schlachten ein anderes Wesen als Gott angerufen worden ist.«
    Die Nomadentradition des Bluttrinkens war damit erledigt, was zu verschmerzen ist. Aber die Vorschriften im Koran haben bis heute nicht nur eine kulinarische, sondern auch eine kulturelle und politische Dimension. Essen und Trinken wurden von der Religion in »rein« und »unrein«, hela l und haram , unterteilt – wie bei den orthodoxen Juden, die nur Lebensmittel verarbeiten, die »koscher«, also nach jüdischer Vorstellung »rein« sind. Mohammed, der sich auf Abraham und seinen Sohn Ismael als Urväter des Islam berief, übernahm eine Reihe von Geschichten und Regeln aus dem Alten Testament, so auch die Unterscheidung zwischen rein und unrein, als Orientierungsprinzip nicht nur für die Ernährung, sondern auch für soziale Abgrenzungen.
    Miss Piggy auf der Fahndungsliste
    Im staatlichen türkischen Fernsehen darf die Sendereihe »Pu der Bär« nicht gezeigt werden, weil Piglet, das Ferkel, mitspielt, das nach Auffassung der Islamwächter die Kinder verwirre und die Gefühle der Muslime beleidige. »Die drei kleinen Schweinchen und der böse Wolf« entgehen den muslimischen Kindern ebenso wie Miss Piggy aus der »Muppet-Show«, die in Pakistan auf der Fahndungsliste der Sittenwächter steht.
    Das Schwein ist für die Muslime ein Untier, und alles, was mit dem Schwein zu tun hat, gilt als unrein. Das geht so weit, dass Gummibärchen für »unrein« erklärt wurden, weil bei ihrer Zubereitung Gelatine vom Schwein benutzt wird. Muslimische Frauen, mit denen ich zur Weihnachtszeit einer Einladung einer evangelischen Gemeinde folgen wollte, blieben dem Treffen fern, weil in der Küche womöglich vorher Schweinefleisch zubereitet worden sein könnte. Und muslimische Schüler weigern sich inzwischen, in der Schulkantine zu essen, wenn dort Brötchen mit Mettwurst zubereitet werden.
    Landläufig wird argumentiert, dass der Ursprung dieser Vorschrift in der Erkenntnis gelegen habe, dass das Schwein ein schmutziges Tier sei und Trichinen, Fadenwürmer, übertragen würde. Der Parasit wurde allerdings erst 1835 entdeckt, und seine Erreger werden nur bei rohem oder schwach geräuchertem Fleisch vom Tier auf den Menschen übertragen. Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde können ebenso Überträger der Trichonose sein. Wenn es sich um eine Hygienevorschrift gehandelt hätte, müsste auch die Hyäne von der historischen Speisekarte der ersten Muslime verbannt worden sein, denn die ernährt sich ausschließlich von verendetem Fleisch. Die Rechtsschulen halten Hyänen aber ebenso wie Eidechsen für helal , rein. 56
› Hinweis
    Außerdem – und das sollte stutzig machen – ist das Schwein in der arabischen Wüste gar nicht heimisch. Schweine kamen im Nahen Osten nur bei den frühchristlichen Bauern in Mesopotamien vor und waren auf der arabischen Halbinsel unbekannt. Die Haut des Schweins hat keine Schweißdrüsen, das Tier muss sich, um vor Hitze oder Parasiten geschützt zu sein, gelegentlich im Schlamm wälzen und ist deshalb für ein Leben im Wüstensand gänzlich ungeeignet. Zudem waren Schweine für die Beduinen wirtschaftlich uninteressant, weil sie weder Milch, Fell oder Wolle, sondern nur Fleisch lieferten und weder als Zug- noch als Reittier infrage kamen. Nur sesshafte Bauern konnten Schweine halten, die Araber aber waren Nomaden.
    Mohammed konnte das Schwein folgenlos zum »Gräuel« erklären, weil es den Arabern unbekannt und nur für die Ungläubigen im Norden von Bedeutung war. Als Symbol der Abgrenzung zu den Christen war es ihm höchst willkommen.
    Auch bei den Juden gibt es Speisegesetze und den Unterschied zwischen koscherer und nichtkoscherer Nahrung. Im 3. Buch Mose heißt es: »Alles, was gespaltene Hufe, und zwar ganz gespaltene Hufe hat und wiederkäut unter den Tieren, das sollt ihr essen.« Das Schwein habe zwar gespaltene Hufe, »aber es wiederkäut nicht: Unrein soll es euch sein«. Es gibt eine ganze

Weitere Kostenlose Bücher