Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
sie unbekümmert. »Aber ich bin da, falls du’s dir anders überlegst.«
Ich blinzelte verwirrt. Immerhin: Sylvia machte es mir nicht schwer. Ich bekam ein schlechtes Gewissen und entschuldigte mich gleich auch noch für meinen heimtückischen Angriff mit den Schockbällchen und dafür, dass ich sie auf ihrer Einladung zum Abendessen hatte sitzen lassen.
Doch wieder überraschte sie mich, indem sie auch diese Entschuldigung mit einem unbekümmerten Lächeln akzeptierte, ebenso wie Maliks ominöse Anwesenheit in meinem Bett. Die letzte Nacht und das Aufschlürfen des verschütteten Bluts hatten ihr ganz offensichtlich gutgetan: Ihr Glamour war wieder vollkommen intakt, ihr Fünfzigerjahre-Kleidchen bauschte sich und war faltenlos, und auch sonst war kein Kratzer mehr zu sehen.
»Hast du schon mal von Jack, dem Raben, gehört? Kennst du ihn?«, erkundigte ich mich. »Seine Augen sahen zuerst so aus wie meine, nur eben indigoblau.« Ich deutete auf meine Augen.
»Ach, er war ein Sidhe?« Sylvia klatschte in die Hände und wirbelte verzückt einmal im Kreis herum. »Hach, wie aufregend!«
»Dann kennst du ihn also nicht?«, hakte ich nach. Vielleicht hatte sie nicht gewusst, dass er ein Sidhe war, da er ja offensichtlich seine Pupillen verändern konnte.
»Ähm …« Sie trommelte mit ihren langen Fingernägeln auf ihren rosa Fahrradhelm und starrte nachdenklich ins Leere. »Jack, der Rabe? Nein, tut mir leid, noch nie gehört.« Sie strahlte mich an. »Na, Genny, ich wette, du bist hungrig! Wie wär’s mit Frühstück? Ich muss nur kurz in deinen Spiegel … Man darf schließlich die Fassade nicht vernachlässigen, richtig?«
»Tu dir keinen Zwang an.« Ich versuchte, mir meine Enttäuschung darüber, dass Jack ihr offenbar unbekannt war, nicht anmerken zu lassen, und gab ihr den Weg zu meinem Schrankspiegel frei.
Leise vor sich hinpfeifend, drehte und wendete sie sich vor dem bodenlangen Spiegel. Sie stutzte die Triebe auf ihrem Kopf, zog die hervorgesprossenen Zweige wieder in Finger und Fußspitzen zurück, rief ein schweinchenrosa Strickjäckchen herbei und reparierte auch noch gleich das zerrissene Riemchen an ihrem Fahrradhelm. Anschließend beseitigte sie die heruntergefallenen Blütenblätter von meinem Holzfußboden und ließ die Löcher mit einem schlichten Handkuss verschwinden. Nun sei sie bereit fürs Frühstück, verkündete sie. Nach einem raschen Blick in den Kühlschrank – in dem sich nur zwei Flaschen Wodka und sonst nichts befanden – erbot sie sich fröhlich, zum Rosy Lea Café hinunterzugehen und uns etwas zu besorgen. Noch erstaunlicher war, dass sie mir ohne Murren half, meinen schweren Schrank vor das Schlafzimmerfenster zu wuchten. Ich bin zwar stärker als ein normaler Mensch, aber Sylvia konnte ich nicht das Wasser reichen. Sie presste ihre beeindruckende Hello-Boys!-Oberweite ans Holz, und der Schrank schien sich fast von allein zu bewegen.
Ich fragte lieber gar nicht.
Ich bedankte mich aufrichtig bei ihr und bestand darauf, dass das Frühstück auf meine Kappe ging.
Sobald Sylvia verschwunden war, fiel mein Blick auf den wie tot daliegenden Malik, dessen schwarze Augen blicklos zur Decke starrten. Trotz meiner Bemühungen hatte ihn der Sonnenstrahl am rechten Fuß gestreift. Die Wunde blutete zwar nicht, aber die Haut war verbrannt bis zum Knochen, die Ränder schwarz und verkohlt – kein hübscher Anblick. Es sah aus, als hätte ihm jemand ein rotglühendes Schüreisen auf die Haut gedrückt.
Hm. Diese Gelegenheit schien ich verpasst zu haben.
Ich hatte die Mäntel ganz instinktiv über ihn geworfen: Vampir plus Sonne ist gleich Brikett . Ihn zu schützen half mir aber leider nicht dabei, ihn loszuwerden. Ich hätte Sylvia bitten sollen, mir zu helfen, ihn hinaus aufs flache Dach zu werfen und in der Sonne verkokeln zu lassen. Seinen Kopf hätte ich dann auch gleich abhacken können, und die Sache wäre ein für alle Mal erledigt gewesen.
Verdammter tyrannischer Vamp.
Aber so nervig und tyrannisch er auch sein mochte – und nicht zu vergessen heimlichtuerisch –, ich brachte es weder über mein Herz noch über mein Gewissen, ihn zu töten. Außerdem wäre es unklug gewesen. Wenn Malik nicht mehr Oligarch war, würde erneut mit Hallali zur fröhlichen Jagd auf Fae und Faelinge geblasen werden. Ohne ihn hätten sie keinen Schutz mehr vor den blutrünstigen Vamps.
»Ich muss also einen Weg finden, dich schachmatt zu setzen, ohne deinen Knackarsch dabei zu grillen«,
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