Bittersüße Nacht - McLeod, S: Bittersüße Nacht - The Bitter Seed of Magic
Spielzeug«, bemerkte ich.
Ihre vollen kirschroten Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln. Sie fuhr herum und warf das Messer. Zitternd blieb es dicht neben dem anderen Dolch in Max’ Herz stecken. Der gab ein ächzendes Grunzen von sich. Sein Kopf war eingedellt und blutüberströmt, meine Ziegel hatten ganze Arbeit geleistet. Dennoch schienen mich seine Augen zwischen den beinahe zugeschwollenen Lidern eher mit einem abschätzenden, neugierigen Ausdruck zu betrachten.
»Die Bronzedolch in Herz«, schnurrte Francine sinnlich, »sie ihn lähmen, nix Kräfte.«
»Gut zu wissen.« Ich schob mich an ihr vorbei, trat neben Mad Max und spähte durch das rautenförmige Fenster ins Zimmer elf.
Es war genauso schlimm, wie ich befürchtet hatte.
In dem etwa fünfzehn Quadratmeter großen Zimmer sah es aus, als hätte ein Orkan gewütet. Der Metallrahmen des großen Betts war verbogen worden, Matratzenreste lagen auf dem Teppich verstreut, eine Kommode lag umgekippt auf ihrer Vorderseite, und der große Flachbildfernseher an der Wand war eingeschlagen worden.
Und im Auge des Sturms stand Darius.
Von dem umwerfend attraktiven Herzensbrecher war nicht mehr viel übrig: Sein Körper war bis auf die Knochen abgemagert, sein Magen eingefallen wie eine Schüssel, von seinem fast kahlen Schädel hingen nur mehr ein paar dünne blonde Strähnen. Seine ledrige Haut war von dicken schwarzblauen Adern durchzogen, er sah aus, als wäre er dem Hungertod nahe. Ich sah, wie er sich verwirrt im Kreis drehte, die Arme vorgestreckt, um die Motten zu erhaschen, die ihn mit wehenden Tüllröckchen umschwirrten. Rissa und Viola umtanzten ihn, abwechselnd hielten sie ihm ein blutiges Handgelenk hin, doch wenn er danach haschen wollte, kam schon die andere, um ihn abzulenken. Das Seltsame an dieser Szene war die Geschwindigkeit, mit der sie ihn umkreisten, als wären es mehr als nur zwei …
»Das ist Ihre Idee, oder?«, fragte ich Francine. »Sie machen das.«
»Ich machen Illusion von viele Motten. Darius nicht denkt mit Verstand, er denkt mit diese hier.« Sie deutete auf ihren Bauch. »Die Motten, sie ihn locken mit Blut. Er nicht wissen, wen essen zuerst. Ist Trick, wir manchmal benutzen.«
Ich schaute wieder durchs Fenster. Lucy tauchte plötzlich vor mir auf, und ich zuckte erschrocken zurück. Keine Angst vor Geistern , sagte ich mir und kämpfte meine alte Phobie entschlossen nieder. Dabei merkte ich, dass meine Wangen nass waren. Ich heulte schon wieder. Entnervt wischte ich mir die Tränen weg. Aber der Anblick von Lucys Geist war einfach herzzerreißend. Langsam wandte sie sich um und schwebte durch Darius und die Motten hindurch zu ihrem leblosen Körper zurück, auf den sie deutete und mich dabei ansah.
Ach du Kacke. Aber das bedeutete noch nicht unbedingt, dass Lucy tot war. Sharon, Darius’ verstorbene Mottenfreundin, hatte das auch gekonnt – ihren Körper vorübergehend verlassen. Es war ein Trick, den die meisten Motten beherrschten, um dem Schmerz des Halsbisses zu entfliehen.
Warum sie sich das überhaupt antaten, da ein normaler Vampirbiss eigentlich die reinste Ekstase war, konnte ich mir beim besten Willen nicht denken.
»Wir müssen sie da rausholen«, sagte ich bekümmert.
»Der Tür, er ist versiegelt bis Sonnenaufgang«, sagte Francine, die neben mich getreten war. »Sie schließen, damit Blutrausch nicht ausbreiten.«
»Bis Sonnenaufgang!«, keuchte ich erschrocken. »Bis dahin sind sie tot!«
»Ja. Lucys Herz, es ist schwach. Ich es für sie schlagen, aber ich können nicht mehr lange. Meine Kraft, sie sinkt.« Sie sagte es ganz ruhig, als wäre dies nicht das Todesurteil für die Mädchen und für Darius – besonders für Darius, denn selbst wenn er wieder zu sich käme, nachdem er die Motten ausgesaugt hatte, würden die Vampire ihm die Gabe entziehen. Nicht etwa als Strafe für den Tod der Motten – die hatten ohnehin keine Angehörigen mehr, die um sie trauern konnten, ihre einzigen Freunde waren andere Motten; nein, man würde ihre Leichen einfach verschwinden lassen. Darius würde man bestrafen, weil dies unsanktionierte Morde waren. Die Vamps konnten es sich nicht leisten, einen der ihren Amok laufen zu lassen.
Also selbst wenn ich es schaffen sollte, ihn jetzt zu retten, wäre er ein toter Vampir, falls ihn nicht einer der Vamps unter seine Fittiche nehmen würde – was höchst unwahrscheinlich war. Ich ballte die Fäuste, übermannt von Verzweiflung und Schuldgefühlen. Ich hätte ihn
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