Bittersueße Sehnsucht
fast vergessen, dass er noch da war. „Oh…ja, bis morgen. Tschüss, genieß deinen Feierabend, den hast du dir verdient.“ Ich rang mir ein Lächeln ab und atmete erleichtert auf, als Sven durch die Schiebetür verschwand. Nicht zu fassen, wie sehr mich Ryans Anwesenheit aus dem Konzept gebracht hatte.
Jedes Mal, wenn an diesem Nachmittag der Aufzug im Erdgeschoss hielt, zuckte ich zusammen und sah mich hektisch um. Doch Ryan ließ sich nicht mehr blicken. Wahrscheinlich bereitete er sich auf seinem Zimmer gerade auf den morgigen Tag vor. Die ganze Aufregung ließ meinen Körper komplett verrückt spielen. Mein Mund war so trocken, dass ich das Gefühl bekam, meine Zunge würde an meinem Gaumen festkleben. Ich beschloss, schnell ein Glas Wasser zu trinken und ging ins Büro. Als ich wieder nach draußen kam, wartete schon ungeduldig der Paketlieferant auf mich. „Oh, hallo – so spät noch eine Lieferung?“, verwundert sah ich auf die Uhr. Es war bereits sieben Uhr abends. Normalerweise kamen Pakete immer vormittags. „Das ist eine Sonderlieferung“, erklärte der Bote knapp und schob den relativ flachen Karton über den Tresen. „Hm…ein Sonderwunsch von einem Gast vielleicht.“, murmelte ich und nahm den Stift für die Unterschrift entgegen. „Nein, diesmal nicht – dass ist für Sie persönlich.“ Der Bote tippte mit dem Finger auf den Adressaufkleber. Tatsächlich – da stand mein Name!
Irritiert verabschiedete ich den Lieferanten und nahm das Paket an mich. Ich blickte mich kurz verstohlen um. Doch die Lobby war so gut wie leer. Die Gäste hatten sich zum Abendessen eingefunden. Nur Ryan hatte ich nicht gesehen. Aber vielleicht hatte er sich sein Essen auch aufs Zimmer bringen lassen. Ich huschte zurück in das kleine Büro und riss mit zitternden Fingern das Klebeband ab. Merkwürdig, wer ließ mir etwas ins Hotel schicken? Paps vielleicht? Aber warum sollte er das tun – selbst wenn er länger unterwegs war und mir etwas schickte, es kam immer bei uns zuhause an.
Vorsichtig hob ich den Deckel des Päckchens an und ließ es vor Schreck fast fallen!
Ein weißer Zettel lag auf einem sorgfältig gefalteten Stapel Unterwäsche aus schwarzer Spitze. Sofort begann mein Körper zu beben. Ich überflog den Zettel und las ihn noch ein weiteres Mal, als könne ich nicht glauben, was dort geschrieben stand.
Vielleicht hast du nach deinem Feierabend ja Lust mich zu besuchen? Meine Zimmernummer kennst du ja…
In dem Päckchen findest du alles, was du unter deinem Mantel tragen darfst…
Wie bitte?! Das konnte doch nicht sein Ernst sein? Ich sollte ihn auf seinem Zimmer besuchen? In dem Hotel, in dem ich vor kurzem angefangen hatte zu arbeiten? Und dann auch noch mit nichts unter meinem Mantel, als Spitzenunterwäsche? Ich biss mir auf die Lippe, bis es schmerzte.
Nein! Das ging entschieden zu weit! Ich würde doch nicht meinen Job riskieren, nur um eine Nacht mit Ryan zu verbringen. Entschlossen klappte ich den Karton zu und stopfte ihn in mein Fach.
Ich trat nach draußen und widmete mich wieder meiner Arbeit. Auch wenn mir das nicht leicht fiel. Es war, als würde dieses Paket meinen Namen rufen.
Tu es Mila! Du weißt, dass du es eigentlich willst!
Angestrengt versuchte ich, diese innere Stimme zu ignorieren. Doch sie war extrem hartnäckig und laut.
Verzweifelt bemühte ich mich, meinen Körper und meinen Kopf zu beschäftigen. Ich erledigte die unbeliebte Ablage, bereitete alles für Matthias, den Nachtportier vor und erwischte mich dabei, wie ich trotzdem immer wieder in den Raum schielte, in dem das Päckchen mit dem unmoralischen Angebot lag. Ich sah auf die Uhr, in einer Stunde war meine Spätschicht zu Ende. Herrgott! Ich dachte doch nicht wirklich darüber nach, Ryans Einladung zu folgen – oder?
„Mila-Schätzchen, ich wünsch dir einen schönen Abend!“ Jans Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Er stand direkt vor dem Tresen und strahlte mich an. Ich sah zu ihm auf und war mir sicher, er konnte es mir ansehen. Für ihn war mein Gesicht wie ein offenes Buch. Zum Glück nur für ihn!
Prüfend hob Jan eine Augenbraue und musterte mich. „Sag mal, kann es sein, dass dich was beschäftigt?“ Ob ihm bewusst war, dass er mit seiner Frage mal wieder genau ins Schwarze getroffen hatte? Ich blickte schnell nach links und nach rechts. Noch immer war in der Lobby gähnende Leere. Ich bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, dass er mir ins Büro folgen sollte. „Was hast du denn?“ raunte
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