Bittersüßes 7. Jahr
tausend Kilometer von Paris entfernt. Aber diese tausend Kilometer werden täglich, stündlich vielleicht, von den beiden Ehefrischlern überbrückt, denn sie denken an sich, sechs Wochen lang, und diese sechs Wochen sollen ihnen eine Qual werden, so qualvoll, daß sie mit ausgebreiteten Armen aufeinander zulaufen und ihre eigene Dummheit verfluchen.
Das war eigentlich der Grundplan Dr. Portz'. Auf ihn aufbauend entwickelte er eine Theorie.
Die hervorstechendste Eigenschaft liebender, verheirateter Frauen ist die Eifersucht. Die gefährlichste Eigenschaft liebender, verheirateter Männer ist das Mißtrauen.
Wenn man beides teuflisch schürt, mit immer neuen Situationen füttert, wenn man Rätsel aufbaut und halbe Lösungen verkündet, wenn der menschliche Kessel bis zum Überdruck aufgeheizt wird, um dann irgendwo ein Ventil zu ziehen und etwas Luft abzulassen, wenn man also zwei Menschen, die sich lieben, durch die Fegefeuer von Eifersucht laufen läßt, werden sie mit ausgeglühter, reiner Liebe daraus hervorgehen.
Es folgt dann etwas, was man die verblüffendste Eigenschaft von Eheleuten nennt: Was wie eine Tragödie aussah, wandelt sich zu einer seufzenden Versöhnung.
Dr. Portz war bereit, diese im Kern sehr gefährliche Theorie in die Praxis umzusetzen. Er wollte Sabine und Peter die Gelegenheit geben, sich auf einem einsamen Fleck dieser Erde, nämlich im Herzen, ob mit oder wider Willen, vor die Alternative zu stellen: Entweder – oder!
Assessor Bornemeyer war nur zum Teil eingeweiht. Er stand vor dem Chefschreibtisch, hager, blaß, farblos. Er arbeitet sicherlich zuviel, dachte Dr. Portz, als er ihn betrachtete. Dieser Mann ist ein Novum. Es gibt wenig Juristen, die sich überarbeiten.
»Bornemeyer«, sagte Dr. Portz und blätterte in seinen Notizen. »Haben wir in den nächsten sechs Wochen ganz wichtige Termine?«
»Wenn kein Mord passiert, nein.«
Portz nickte. Eine Seele von Mensch, dieser Bornemeyer.
»Und sonst?«
»Die Ehescheidungssache Direktor Basser.«
Dr. Portz winkte ab. »Unwichtig. Basser nimmt alles auf sich und findet seine Frau ab. Nur die Frau will nicht. Aber das ist nur eine Frage der Abfindungshöhe. Bei den Wirtschaftswunder-Bassers löst sich das Leben in Zahlen auf.« Portz putzte sich die Nase. »Nur Basser ist plötzlich knauserig geworden. Nicht bei seinen Amouren, nein, bei seiner Frau. Da spielt er den bankrotten Fabrikbesitzer. Aber lassen Sie mal, das ist alles kein Problem. Sie müssen sich eines merken, Bornemeyer: Ehemänner sind immer zu anderen Frauen generös.«
»Wer es sich leisten kann.«
»Sie sind von einer ohnmächtigen Frivolität, Bornemeyer. Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Aber sehen Sie mal her …« Er schob dem blassen Assessor einen dicht beschriebenen Zettel zu. »… Da ist etwas Besonderes für Sie! Sie fahren nach Borkum.«
»Ich?«
Bornemeyer schüttelte den Kopf.
»Auf Kosten der Firma!«
»Das hört sich wahrhaftiger an.«
»Und Sie übernehmen dort eine delikate Aufgabe: Sie werden Frau Sabine Sacher überwachen.«
Bornemeyer schob seine dicke Hornbrille über die Nasenwurzel auf und nieder. Verständnislos sah er seinen Chef an.
»Das ist doch wohl ein gut gelungener Scherz«, stotterte er.
»Zum Scherzen haben Sie Zeit, wenn Sie Ihren Auftrag ausgeführt haben. Es ist eine Realität, Bornemeyer: Sie reisen nach Borkum und beschatten Frau Sacher. Sie werden aufmerksam wie ein Mäuslein sein! Herr Sacher ist verreist. Allein. Und Frau Sacher ist nun auch verreist. Allein nach Borkum. Alleinreisende Frauen aber sind gefährdet wie Hermeline. Herden von Jägern laufen ihnen nach. Herr Sacher, der verständlicherweise sehr besorgte Ehemann, will nun durch uns über jeden Schritt seiner angebeteten Frau genau unterrichtet werden. Alles, was Sie also in Borkum sehen, melden wir gleich weiter nach Paris.«
»Paris?« Bornemeyer sah seinen Chef mit schräg gehaltenem Kopf an. »Herr Sacher befindet sich in Paris?«
»Das gefällt Ihnen wohl nicht, was?«
»Paris«, sagte Bornemeyer gedehnt und blinzelte hinter seiner Hornbrille.
»Lassen Sie Ihre erogenen Gedanken zu Hause, Bornemeyer. Herr Sacher ist rein geschäftlich in Paris.«
»Wäre es nicht logischer, den Ehemann beobachten zu lassen?«
»So etwas tut man nicht.«
»Wen vertreten wir eigentlich: Herrn oder Frau Sacher?«
»Beide.«
»Aber.« Bornemeyer begann zu stottern. »Das geht doch nicht. Wir können doch als Anwalt nicht Partei und Gegenpartei …«
Dr.
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