Bittersüßes 7. Jahr
Rouge spielte ein Neger-Tanzorchester.
Es war fad. Alles war so fad!
Am besten ist es, man nimmt sich eine Taxe und läßt sich rund und kreuz und quer durch Paris fahren, dachte Peter. Das ist besser, als mit dem eigenen Wagen durch eine fremde Stadt zu irren. Hinein in den Bois, langsam über die breiten Boulevards und Avenuen. Vielleicht überkommt einen dann das Fluidum, das die Abenteuermüdigkeit aus den Knochen treibt. Und wo ein schönes Mädchen über die Straßen trippelt, wo ein schlankes Bein unter der Markise eines Cafés in der Sonne wippt, da kann man dem Chauffeur auf die Schulter tippen und sagen: Halt! Ich steige aus.
Austern mit Champagner. Eine Flasche Haut Sauterne. Einen Aperitif. Dazu das girrende Lachen eines Mädchens. Das müßte Paris sein.
Peter Sacher steckte die Zeitung in die Jackentasche. Als er den Rock zuknöpfte, merkte er, daß ihm der süßliche Duft von Coucous Parfüm entströmte. Er schnupperte an den Revers, an den Ärmeln, die noch umgestülpt waren und an den Schultern.
Coucou, dachte er. Du hast ihn auf der nackten Haut getragen. Hier drückten deine … Hastig streifte er die umgestülpten Ärmel herunter und schob das Kinn vor. Haltung, Peter! Bloß Haltung bewahren!
Aber seine Finger zitterten ein wenig, als sie im Treppenhaus den Schlüssel im Schloß herumdrehten.
Im Treppenhaus traf er auf den alten Concierge. »Bon jour, monsieur«, sagte er und blinzelte dabei frivol mit den Augen. Pariser Hausmeister sind großzügig und weltmännisch.
Peter grüßte verwirrt zurück. Er gab dem alten Mann die Schlüssel zur Wohnung und blieb ihm zwei Schritte entfernt, damit er nicht Coucou aus seiner Jacke roch.
»Ich fahre durch Paris«, sagte er. »Tour de Paris, compris?«
Der alte Mann nickte lächelnd, steckte die Schlüssel ein und setzte seine Arbeit des Treppenkehrens fort.
Über Paris lag eine grelle Sommersonne. Peter Sacher prallte fast zurück, als er den kühlen Hausflur verließ und auf die Straße trat. Der Asphalt war pappig. Die Autos zischten durch die Sonnenglut. Der Reifengummi stank wie verbrannt.
Drei Minuten ging Peter durch die Glut, dann winkte er eine Taxe heran. Knirschend, in den weichen Asphalt Rillen ziehend, hielt sie am Bordstein.
»Parlez-vous allemagne?« fragte Peter den Chauffeur.
Der Fahrer grinste. »Det will ick meenen!«
»Ein Berliner!« jubelte Peter Sacher. Er riß die Tür auf und warf sich neben dem Fahrer auf den Sitz. »Nun fahr mal los, Landsmann!«
»Und du kommst aus'n Rheinland, wat?« Der Wagen fuhr an. »Tja, so jeht's nu mal. Ick bin hier hängenjeblieben im Krieg, 'ne schicke Französin, weeste, die hat mir verborjen jehalten. Nu sind wir vaheeratet, zwee Bälger ham mer och. Und die sprechen wie ick Berlinisch. Mit französischen Knubbeln!« Er lachte wieder und sah Peter zwinkernd an. »Wo soll's denn hin am frühen Morjen? Kleene Puppe irjendwo im Lojis, wat?«
»Laß mich mit den Puppen hier in Ruhe.« Peter Sacher tupfte sich den Schweiß von der Stirn und kurbelte die Scheibe ganz herunter. »Einmal rund um Paris, Landsmann, und dann kreuz und quer dadurch, das ist alles, was ich von Paris will. Alles andere ist doch Käse.«
»Ach so. Frau Gemahlin ist mit und noch ein bißchen müde, wat?« Der Chauffeur beugte sich zu Peter hinüber. »Ick kenne da ein Café, von außen wie 'n seriöses Familiending. Aber im Hinterhaus! Junge, Junge! Der Frau Gemahlin zeigen wir die Rechnung als Alibi. Ein simples Caféchen kann niemand verwehren, wat?«
»Rund um Paris, weiter nichts. Und nun los.«
»Wie's beliebt. Aber ick mache mal ab und zu Station. Beim Essen kommt der Appetit. Wenn et nich jeblökt hätte, sagte der Wolf, hätt' ick det Schaf nie jefressen. Und hier gibt es Schäfchen, Junge, Junge.«
Der Wagen fuhr an und reihte sich ein in den breiten Strom der Autokolonnen am Boulevard des Invalides.
Peter Sacher lehnte sich zurück und blickte hinaus.
Das ist Paris.
International, froh, glücklich, unsterblich.
Eigentlich habe ich das gesucht. Nur das. Und nicht Coucou. Das Schäfchen.
Womit man nicht sagen will, daß ein Mann es ablehnt, ein Wolf zu sein.
DRITTES KAPITEL
In Düsseldorf war man unterdessen nicht untätig gewesen. Dr. Portz hatte sein Hauptquartier hinter seinem Schreibtisch aufgeschlagen, von dem aus er mit dem Genie eines nie Kriege verlieren den Feldherrn die feindlichen Heere gewissermaßen als übergeord neter Schlachtenlenker beobachtete und führte.
Borkum liegt rund
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