Bittersüßes 7. Jahr
Erniedrigung.
Die Ankunft in Nizza ließ ihn noch von Abenteuern träumen. Aber schon in der Halle des Hotels, in dem sie abstiegen, bekam er einen Vorgeschmack dessen, was ihn erwartete. Sabine Sacher bestellte zwei Zimmer, die möglichst weit auseinanderliegen mußten. So bekam Bornemeyer Zimmer 145 im fünften Stock, während Sabine mit Zimmer 12 auf der ersten Etage einen herrlichen Seeblick genoß. Ihr Fenster lag einem ins Meer ragenden Felsen gegenüber. Die Brandung schäumte empor. Weiß leuchtete eine märchenhafte Villa in der Sonne.
»Unvergleichlich«, sagte Sabine und sah hinüber zu dem Haus. »Wer mag da wohnen?«
»Im Augenblick niemand.« Das Zimmermädchen sah sich um. Sie waren allein im Zimmer. Der Hoteldiener hatte die Koffer abgestellt und war gegangen. »Wenn man erfährt, was ich Ihnen verrate, fliege ich.«
»Ein Geheimnis?« Sabine lächelte. »Ich verrate Sie bestimmt nicht.«
»Das Haus kann gemietet werden. Es ist frei geworden. Ich kenne den Verwalter.«
»Es muß ja wahnsinnig teuer sein.«
»Das weiß ich nicht.« Das Mädchen machte einen Knicks und lief aus dem Zimmer.
Fasziniert stand Sabine am Fenster und starrte hinüber zu der weißen Villa. Es war, als lockte dieses Haus. Man kann es mieten, dachte sie. Angenommen, ich ziehe in die Villa ein und schreibe nach Paris: ›Komm nach Nizza, Liebster, ich habe für uns ein Traumschloß am Meer.‹ Ob er kommen würde? Ob wir dort oben, ganz allein unter der Sonne, so glücklich werden könnten, daß wir nie mehr auseinandergehen?
Der Gedanke setzte sich fest. Er war so stark, daß Sabine sogar Bornemeyer verzieh, ohne anzuklopfen ins Zimmer gekommen zu sein.
»Wir werden morgen viele Wanderungen machen«, sagte sie. »Und noch diese Woche wird mein Mann kommen.«
»Sie machen mich unglücklich«, sagte Ferro-Bornemeyer ehrlich. »Ich bin ein von der Natur benachteiligtes Kind! Ich werde immer vernachlässigt.«
»Sie haben Ihre Millionen.«
»Geld ist mir nichts wert!«
»Ich wünschte, ich hätte soviel wie Sie.«
»Wünschen Sie sich das nicht, Signora!« Bornemeyer wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Alles ist relativ.«
Er war in diesem Augenblick versucht, ihr alles zu gestehen. Die Fahrt über nach Nizza hatte er Zeit genug gehabt, sich die Konsequenzen, die auf ihn in Düsseldorf warteten, auszumalen. Was er getan hatte, er war ehrlich genug, es einzusehen, war ohne Beispiel und das Ende seiner Karriere. Für einige Tage Traum vom großen Leben hatte er sein ganzes weiteres Leben verpfuscht. Das war ein zu hoher Einsatz gewesen, gewiß, aber die Sehnsucht der bornemeyerschen Seele, einmal in der Sonne des Glücks zu stehen, war zu übermächtig gewesen.
»Ich möchte mich umziehen«, sagte Sabine. Ferro sah sie an wie ein Verhungernder.
»Ich gehe, Favorita. Wann sehen wir uns?«
»Am Abend. Beim Essen.«
»Erst am Abend?«
»Ich habe noch etwas zu besorgen.«
»In Nizza? Aber du kennst doch Nizza gar nicht.«
»Was ich suche, habe ich schon gesehen. Also, bis zum Abendessen!«
Sie schob den unglücklichen Bornemeyer aus dem Zimmer und schloß hinter ihm ab.
Eine Stunde später klomm Sabine Sacher den etwas steilen Felsweg zur weißen Villa hinauf. Ab und zu blieb sie stehen und blickte über den weißen Strand, die Stadt Nizza, über das tiefblaue Meer mit den weißen Segelbooten und Jachten, den Wasserskifahrern und den Schwimmern, die sich auf Gummiflößen treiben ließen. An einer Biegung des Weges blieb sie plötzlich stehen. Ein Mann stieg unterhalb des Felsens aus dem Wasser. Er tauchte aus der Brandung wie ein großer, leuchtender Fisch auf und legte sich auf die Steine einer Felsenspitze in die Sonne. Der Mann war nackt, das sah Sabine. Sonst war die Entfernung zu weit, um zu erkennen, wie er aussah.
Der muß gut schwimmen können, dachte sie und ging weiter. Bei dieser Brandung durch die Klippen zu schwimmen. Schnell ging sie weiter. Vielleicht beobachtete man sie, und es wäre peinlich gewesen, sie bei der Betrachtung eines nackten Mannes zu überraschen.
Das Schicksal hatte einen Witz gemacht. Der Mann, der unten auf der Klippe lag, schwer atmend und doch vergnügt wie ein Junge, war Peter Sacher.
Heinz v. Kletow umschwamm die Felsnase, auf der die Contessa liegen mußte. Heute lag sie nicht da. Es war noch zu früh. Erst wenn die Sonne voll auf das Meer schien, kam sie mit ihrem großen, weißen Badetuch.
Nach einer halben Stunde stand Sabine Sacher vor einem großen,
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