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Bittersüßes 7. Jahr

Bittersüßes 7. Jahr

Titel: Bittersüßes 7. Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schmiedeeisernen Tor. Es bildete den Eingang zur Villa. Ein weißer Kiesweg führte durch einen kleinen, fast tropischen Park. Im Hintergrund sah man das Haus. Marmorterrasse zum Meer, bunte Sonnendächer vor den Fenstern, Palmen und Riesenagaven.
    Sabine suchte nach einer Klingel. Sie fand keine und drückte vorsichtig das große Tor auf. Langsam ging sie über den Kiesweg dem Hause zu. Unter hohen, schmalen Säulen lag eine breite Glastür mit einem weißen Gitter. Durch die Tür blickte man durch das Haus hindurch, durch eine große Halle, deren Rückwand nur aus Glas bestand und die Bläue des Meeres ins Haus holte. Es war, als brandete das tintenblaue Wasser in die Halle und schwämmen die Palmen und weißen Jalousien darin wie bizarre Fische.
    Das ist nichts für uns, dachte Sabine. Das ist unerschwinglich, auch gemietet. Darüber würde Peter nicht glücklich sein, sondern schimpfen. Es wäre Verschwendung, hier zu wohnen.
    Sie wollte sich abwenden und wieder zur Felsenstraße gehen, als ein großer, breitschultriger Mann um die Ecke des Hauses bog. Er trug einen riesigen, aus Stroh geflochtenen Sonnenhut auf dem dicken Schädel und hielt eine Gartenharke in den behaarten Händen. Wie ein Gorilla sah er aus. Er grinste auch so, als er die junge Frau an der gläsernen Tür stehen sah, verlegen, nach Worten suchend.
    Mit ausgestreckten Armen kam der Gorilla auf Sabine zu. Sein breites Gesicht war ein niederwerfendes Leuchten.
    »Oh, du bist gekommen, Coucou?!« rief er auf französisch. »Oh, quel bonheur!«
    Er verwechselt mich, dachte Sabine. Sicherlich tut er das! Sie schüttelte den Kopf und wich zurück, als der Koloß auf sie zukam.
    »Sie irren sich!« rief sie auf deutsch. »Ich bin kein Fräulein mit Namen Coucou!«
    »Nix Coucou?!« Der Verwalter der Villa nahm den Hut ab, warf seine Harke weit weg und schnaufte wie ein gereizter Stier. »Wer Sie dann?!«
    »Ich bin Frau Sabine Sacher.«
    »Nix gehört davon. Warum schickt Sie? Warum nix Coucou, wie Monsieur Kletow versprochen?«
    Sabine hob die Schultern und wollte sich abwenden. In diesem Augenblick zündete der Name Kletow in ihrem Gehirn wie ein einschlagender Blitz. Sie wirbelte herum und starrte den verblüfften Verwalter an.
    »Sagten Sie eben Kletow?«
    »Oui, madame!« Der Gorilla zerknüllte den Strohhut in den Pranken. »O – quel filou! Isch ihn umbringe!«
    »Recht so!« In Sabine stieg eine Enttäuschung empor, die wie eine alles ergreifende Übelkeit durch ihren Körper zog. »Er ist hier in Nizza?«
    »Oui! Seit sechs Tagen!« Der Verwalter ballte die Fäuste. »Ein Gauner! Ein Schuft! Ein Verbrecher!«
    »Seit sechs Tagen.« Sabine sah auf den weißen Kiesweg. Vor ihren Augen flimmerte es. Seit sechs Tagen war Peter in Paris, angeblich bei seinem Freund! Er hatte sie belogen. Er war allein in Paris, allein in einer Wohnung, allein mit, mit …
    Sie brach den Gedanken ab. Er tat ihr weh. Ihr Herz stockte. Es war, als risse es mittendurch.
    »Hat er Sie betrogen?« fragte sie mühsam.
    »Um ganze Miete, oui!« schrie der Gorilla. »Isch erwürge ihn!«
    »Er hatte dieses herrliche Haus hier gemietet?«
    »Oui! Madame. Sie kennen Kletow?!«
    »Nein, nein«, sagte Sabine schnell. »War er allein hier?«
    »Ganz allein!« Der Verwalter grinste breit. »Tagsüber, Madame. C'est la vie.«
    »Und es war kein anderer Herr dabei?«
    »Ein Monsieur? O non! Was soll Kletow machen mit Messieurs?! Er nur, olala!« Der Verwalter schnalzte mit der Zunge. Schon der Gedanke an schöne Frauen verscheuchte in ihm alle Wut. Man beneide darum die Franzosen.
    Für Sabine war alles klar. Sie brauchte keine weiteren Erklärungen. Was hatte Dr. Portz geschrieben: ›Peter ist in Paris bei seinem Freund v. Kletow. Rue de Sèvres. Sie brauchen gar keine Sorgen zu haben.‹
    Alles war Lüge. Alles! Peter hatte gewußt, daß v. Kletow nicht in Paris war. Allein war er in der Wohnung, und wenn ein Mann allein in Paris ist …
    In ihr brach alles zusammen, was sie an Sanftmut und Versöhnung in den vergangenen Tagen gesammelt hatte. Das Ende ihrer Ehe sah sie vor sich, das Experiment war mißlungen, oder gelungen, wie man's betrachtet. Es hatte keinen Sinn mehr, zusammenzubleiben und sich vorzulügen, der andere sei notwendig für das weitere Leben.
    »Wo ist Monsieur v. Kletow jetzt?« fragte sie. Ihre Stimme war hart. Sie spürte es. Sie war kühl bis ins Herz hinein.
    »Oh, wenn isch wüßte das! Isch zermalme ihn! Isch werde Mörder!«
    Sabine atmete tief.

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