Bittersüßes 7. Jahr
Stunden suchte, wie eine Katze an, als er sie auf die Schulter tippte und sagte: »Ich halte es bis zum Abendessen ohne dich nicht aus.«
»Lassen Sie mich in Ruhe!« zischte sie und riß das Fernglas wieder an die Augen. In den Zelten bewegte sich etwas.
Ferro suchte den Strand ab. Er bemerkte nichts Sehenswertes und ließ sein Monokel aus dem Auge fallen.
»Was beobachtest du, Favorita?«
»Einen Haifisch!« fauchte Sabine.
»Wo?«
»In der Luft.«
»In der …« Bornemeyer war beleidigt. Er nagte an der Unterlippe und setzte sich neben Sabine in das Zelt.
»Sie sollen gehen, Signore Ferro! Ich habe Wichtigeres zu tun, als Ihre Tiraden von Favorita und Madonna anzuhören.«
»Was ist denn da hinten so interessant?« Bornemeyer tastete mit Blicken den Strand ab. Außer einigen netten Mädchen und ein paar kräftigen Männern war nichts zu sehen. Es war nicht anzunehmen, daß Sabine Sacher ein solch reges Interesse für wohlgebaute Männer entwickelte.
»Ich habe ein wildes Schaf entdeckt!«
»Ein was?«
»Sie werden es nie verstehen, Ferro! Was ich immer annahm und dafür ausgelacht wurde, sehe ich jetzt endlich! Ich bin dabei, mich seelisch zu zerfleischen.«
»Grausam!« Bornemeyer rätselte. »Darf ich auch mal durch das Glas sehen? Vielleicht verstehe ich Sie dann.«
»Ich werde Ihnen vielleicht heute abend alles erklären, Signore Ferro.«
»Heute abend ist im Kurhaus ein Maskenball. Ich wollte dich dazu einladen, Madonna.«
Sabine schüttelte den Kopf. Das Mädchen kam aus der Zeltburg. Heinz v. Kletow folgte ihr. Peters Kopf kam hervor, seine Arme. Er winkte ihnen zu. Er rief etwas. Sabine war es, als könne sie es verstehen. »Auf Wiedersehen!«
Ihr Kopf fuhr zu Ferro herum. »Wir gehen zum Maskenball!«
»Favorita!« schrie Bornemeyer. Er wollte sie in den Nacken küssen, aber Sabine wehrte ihn ab.
»Und nun gehen Sie!« sagte sie. »Ich will allein sein. Fragen Sie nicht länger.« Gehorsam entfernte sich Ferro.
Peter Sacher zog sich an, als Heinz v. Kletow mit seiner neuen Strandbekanntschaft gegangen war. Er wollte zur Nationalbank gehen, um nachzufragen, ob das Geld noch nicht eingetroffen sei. Das war zwar schlecht möglich. Aber die Düsseldorfer Bank konnte das Geld auch telegrafisch überweisen. Dann war es bereits in Nizza. Und dann würde Peter Sacher spätestens übermorgen zurück nach Düsseldorf fahren und zu Sabine sagen: »Es ist alles Blödsinn, was wir jahrelang gesagt und gedacht haben. Es gibt nur eins!«
In einem hellgrauen Anzug, elegant und sportlich, ging er über die Promenade. Sabine verfolgte ihn mit dem Fernglas, bis er im Gewühl der anderen Spaziergänger verschwand. Da rannte sie durch Seitenstraßen zu ihrem Hotel zurück auf ihr Zimmer und stand einen Augenblick vor dem Telefon. Sollte sie Dr. Portz anrufen? Oder sollte sie mit Peter allein alles regeln?
Sie zog ein neues, in Borkum gekauftes Kleid an, das Peter noch nicht kannte, kaufte sich in der Halle des Hotels, beim Hotelfriseur, eine große, ganz dunkle Sonnenbrille und band sich einen weißen Perlonschal um die Haare. Als sie in den Spiegel sah, erkannte sie sich selbst nicht mehr.
So verkleidet eilte sie zurück auf die Promenade. Es war ein Glücksumstand, wenn sie Peter wiederfand. Ruhelos wanderte sie hin und her, immer am Strand entlang, zwei Stunden lang, die Füße schmerzten ihr, in den Waden zuckte es. Sie biß die Zähne zusammen und ging weiter.
Vier Meter von ihr entfernt, hinter der Scheibe eines Cafés, saßen Peter Sacher und Heinz v. Kletow und starrten auf die Promenade. Immer wieder wischte sich Peter mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Er war bleich und ernst.
»Sie ist's!« sagte er leise, als könnte man es draußen hören. »Es ist Sabine.«
»Du spinnst!« Kletow drückte die Nase an der Scheibe platt. »Schließlich kenne ich Sabine auch! Das ist eine Französin reinsten Wassers. Und sie geht auf Männerfang. Sabine sieht ganz anders aus.«
»Ich wollte, du hättest recht. Da, wie sie stehenbleibt und den Kopf zurückwirft. Das ist Sabine! So steht sie immer da, wenn ich abends später nach Hause komme und sie zu mir sagt: Jetzt ist das Essen kalt. Dreimal habe ich es gewärmt! Ich bin nicht deine Sklavin!«
»Recht hat sie!«
»Und da, wie sie sich herumdreht, jetzt macht sie die Tasche auf. Sie muß ein weißes Taschentuch mit rotem Stickrand haben. Hah! Das ist's! Es ist Sabine!« Peter sprang auf, aber Kletow riß ihn am Rock auf den Stuhl
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