Bittersweet Moon
Aussehen
und die Jugend fast das Wichtigste sind. In der Oper geht es hauptsächlich um
Musik, aber anderseits, wenn man schon eine Oper auf der Theaterbühne
inszeniert, würde man sich gerne dabei Sänger wünschen, die auch optisch was zu
bieten haben, so wie in der Popmusik. Das Auge genießt mit, nicht nur die
Ohren. Ich persönlich höre mir eigentlich lieber CDs an, da habe ich meinen
eigenen Film vor den Augen, ich gehe nur noch selten in die Oper."
"Sag
mal, die Geschichte von Tristan und Isolde kommt mir bekannt vor", sagte
Robin plötzlich. "Ist das nicht eine keltische Legende?"
"Ja,
das ist sie. Sie ist ein Teil des Mythos von König Artus, Tristan war ein
Ritter seiner Tafelrunde", stimmte ich ihm zu.
"Ich
kann mich erinnern, dass meine Großmutter mir diese Geschichte erzählte, als
ich ein Kind war."
"Sie
war eine gebürtige Irin, stimmt's?"
Robin
nickte nachdenklich: "Ja. Meine Großeltern väterlicherseits emigrierten
vor dem zweitem Weltkrieg aus Irland nach New York."
"Das
habe ich gelesen. Und man sieht es dir an, dass du keltische Vorfahren
hast", streichelte ich ihm liebevoll sein weizenblondes Haar aus dem
Gesicht, das im Licht immer golden schimmerte.
"Als
Kind hasste ich meine Haarfarbe, ich war ganz rothaarig und man verspottete
mich deswegen. Erst während der Pubertät sind sie blond geworden und plötzlich
standen alle Mädchen auf mich", konnte sich Robin bei diesen Erinnerungen
nicht sein spitzbübisches Lächeln verkneifen.
"Wirklich?
Du warst mal rothaarig? Das wusste ich nicht", staunte ich.
"Endlich
etwas, was du über mich noch nicht weißt", lachte Robin vergnügt und ich
bewunderte wieder sein schönes Gesicht und seine goldblonde Mähne, als ich ihn
vor meinem geistigen Auge als Tristan sah.
"Du
könntest ein fantastischer Tristan sein, wenn du Opernsänger geworden
wärest", seufzte ich verliebt und küsste ihn.
"Die
beiden starben am Ende und ihre Liebe blieb ziemlich unerfüllt, oder?"
fragte Robin und zog mich an seine breite Brust.
"Ja,
sie starben, aber ihre Liebe hat auch in dieser kurzen Zeit, die sie miteinander
verbrachten, ihre Erfüllung gefunden. Die tragischen Umstände spielten für die
beiden keine Rolle, nur ihre Liebe an sich, die zählte", sprach ich leise
und versank noch tiefer in Robins Umarmung.
"Wie
bei uns", murmelte er und legte beschützend noch den anderen Arm um mich.
"Ich will auch diese Musik hören", unterbrach er schließlich die
Stille um uns. Gerne löste ich mich aus seiner Umarmung und legte die CD mit
dem "Liebestod" auf. "Hier, der englische Text, so kannst du
verstehen, was sie singt", reichte ich Robin das Booklet und kuschelte
mich wieder an seine Brust.
Jessie
Norman sang mit ihrem einmaligen Sopran diese herrliche Musik, die mich immer
wieder in einen fast hypnotischen Zustand brachte. Ich spürte sie körperlich,
wie sie schwer und betörend wie ein Meer aus Emotionen in mir ihre
verführerisch hohen Wellen schlug und aus mir eine mit Ehrfurcht erfüllte
Anbeterin machte. Jessies gewaltige Stimme, die abwechselnd aufwellte und
wieder abebbte, half mir dabei mich nicht gänzlich in dem akustischen Sturm zu
verlieren. Obwohl sie über das Orchester unirdisch hoch und klar schwebte,
erdete sie mich gleichzeitig mit ihrem herb frischen, würzigen Timbre, das in
mir bildliche und duftende Assoziationen weckte. Den ekstatischen Liebestod empfand
ich wie eine musikalische Klimax, die trotz der Tragik unglaublich sinnlich auf
mich wirkte. Am Ende des Stückes brach ich meistens in Tränen aus. Die
emotionale Spannung, die ich beim Zuhören erlebte, entlud sich Erlösung
bringend während der letzten Takte und noch lange lauschte ich der befreienden
Stille nach diesem süchtig machenden Meisterwerk der klassischen
Musikliteratur. Auch diesmal schossen mir die Tränen in die Augen, als Jessie
ihre letzten Töne sang und die Musik ihre absolute Kulmination erreichte. Es
war ein ganz besonderer Augenblick, ich teilte ihn ja mit Robin und ich wusste
es nicht, wie er dabei reagieren würde.
Er
bemerkte meine stillen Tränen und küsste mich auf den Kopf. Schnell stand ich
auf und machte die CD aus. Nach diesem Stück vertrug ich eine Weile keine
andere Musik, ich fühlte mich gesättigt und völlig befriedigt. Fragend schaute
ich Robin an, als ich mich wieder zu ihm setzte.
"Diese
Musik ist unglaublich, ich hatte die ganze Zeit Gänsehaut", beantwortete
Robin meine unausgesprochene Frage. "Ich kann es nicht sagen, ob die Musik
mir
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