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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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komme zu spät zur nächsten Stunde, und Sie wissen ja, was man über Wiederholungstäter sagt.«

    »Ich überlege, ob ich Win einlade, am Freitag mit uns auszugehen«, sagte Scarlet auf der Busfahrt nach Hause.
    »Oh, Win«, sagte Natty. »Den mag ich.«
    »Weil du einen hervorragenden Geschmack hast, meine Süße«, sagte Scarlet und gab Natty einen Kuss auf die Wange.
    Ich verdrehte die Augen. »Wenn du ihn so toll findest, solltest du alleine mit ihm ausgehen«, sagte ich zu Scarlet. »Warum muss ich unbedingt dabei sein? Ich bin doch nur das fünfte Rad am Wagen.«
    »Annie«, jammerte Scarlet, »stell dich nicht so an! Wenn ich mit ihm allein losgehe, bin ich ein komisches Mädchen, das einen Jungen eingeladen hat. Wenn du dabei bist, ist es lockerer und auf freundschaftlicher Basis.« Scarlet sah meine Schwester an. »Natty findet das auch, oder?«
    Meine kleine Schwester warf mir erst einen Blick zu, ehe sie nickte. »Wenn es gut läuft, solltet ihr beide ein Zeichen vereinbaren, damit Annie weiß, dass sie besser geht.«
    »Vielleicht das hier«, sagte Scarlet. Sie zwinkerte so übertrieben, dass sich ihr halbes Gesicht verzog.
    »Total unauffällig«, bemerkte ich. »Das wird Win niemals bemerken.«
    »Komm, Annie! Ich muss meine Ansprüche anmelden, bevor das eine andere tut. Du musst zugeben, dass er perfekt zu mir passt.«
    »Aus welchem Grund?«, fragte ich. »Du kennst ihn doch kaum.«
    »Weil … weil … Weil wir beide Mützen mögen!«
    »Und er sieht gut aus«, fügte Natty hinzu.
    »Er sieht wirklich super aus«, bestätigte Scarlet. »Ich schwöre dir, Annie, ich werde dich nie mehr um irgendwas anderes bitten.«
    »Ach, schon gut«, brummte ich.
    Scarlet gab mir einen Kuss. »Du bist ein Schatz, Annie! Ich dachte, wir könnten zu dem Mondscheincafé gehen, das deinem Cousin Fats gehört.«
    »Na ja, das ist vielleicht keine so gute Idee, Scar.«
    »Warum nicht?«
    »Weißt du’s noch nicht? Der Vater von Mr. Perfect ist der neue Oberbulle.«
    Scarlet riss die Augen auf. »Im Ernst?«
    Ich nickte.
    »Dann müssen wir uns wohl was Legales suchen«, sagte sie. »Was so gut wie alles ausschließt, wo es lustig ist.«
    Der Bus hielt an der Fifth Avenue, wir stiegen aus und gingen die restlichen sechs Häuserblocks zu unserer Wohnung zu Fuß. Scarlet wollte bei uns lernen, was sie häufiger tat.
    Wir betraten das Gebäude, gingen an der leeren Portiersloge vorbei (nachdem der letzte Portier ermordet worden und seine Familie vor Gericht gezogen war, hatte die Eigentümerversammlung entschieden, dass man sich keinen mehr leisten konnte) und fuhren mit dem Fahrstuhl hoch in unsere Penthousewohnung.
    Scarlet und Natty gingen in mein Zimmer, während ich nach Nana schaute.
    Imogen, die Pflegerin, las ihr etwas vor: »Um mit dem Beginn meines Lebens anzufangen, bemerkte ich, dass ich, wie man mir mitgeteilt hat und wie ich auch glaube, an einem Freitag um Mitternacht zur Welt kam. Es heißt, dass die Uhr zu schlagen begann, gerade als ich zu schreien anfing.«
    Auch wenn ich kein großer Bücherwurm war, hatte Imogen eine angenehme Stimme, die mich einlullte, so dass ich eine Weile in der Tür stehen blieb und zuhörte. Sie las bis zum Ende des Kapitels, das nicht sehr lang war, und klappte das Buch dann zu.
    »Du bist gerade rechtzeitig gekommen, um den Anfang von diesem Buch zu hören«, sagte Imogen zu mir und hielt das Taschenbuch hoch, damit ich den Titel sehen konnte: David Copperfield .
    »Anyeschka, wann bist du denn reingekommen?«, fragte Nana. Ich ging zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich wollte eigentlich ein Buch mit mehr Action«, sagte sie und rümpfte die Nase. »Mit Frauen und Pistolen. Aber sie hatte nur dies dabei.«
    »Das wird noch aufregender«, versicherte Imogen. »Sie müssen Geduld haben, Galina.«
    »Wenn das noch lange dauert, bin ich längst tot«, gab Nana zurück.
    »Jetzt aber genug mit dem Galgenhumor«, tadelte Imogen.
    Ich nahm ihr das Buch aus der Hand und hielt es mir vor die Nase. Der Staub kitzelte. Es roch salzig und leicht säuerlich. Der Buchrücken fiel fast auseinander. Seit meiner Geburt, vielleicht schon länger, waren keine neuen Bücher mehr gedruckt worden (der Grund waren die hohen Papierkosten). Nana hatte mir mal erzählt, dass es früher, als sie jung war, große Läden voller Papierbücher gab. »Nicht dass ich je in eine Buchhandlung gegangen wäre. Ich hatte Besseres zu tun«, hatte sie mit Sehnsucht in der Stimme gesagt. »Ach, die

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