bK-Gruen, Sara
Krankenwagens war ein Gewimmel aus
Gesichtern, Uniformen und Händen in Latexhandschuhen, Beuteln mit Infusionsflüssigkeit
und kreuz und quer verlaufenden Schläuchen. Stimmen dröhnten, Funkgeräte
rauschten, jemand sagte ihren Namen, aber der Sog der nahenden Ohnmacht war
stärker. Sie wollte bei Bewusstsein bleiben - es erschien ihr höflich, nachdem
sie jetzt ihren Namen kannten -, aber es ging nicht. Das Echo der Stimmen
löste sich in einem Strudel auf, sie sank in einen Abgrund jenseits der Bienen,
schwärzer als schwarz. Es war die absolute Losgelöstheit von allem, das
vollkommene Nichtsein.
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Als John
nach Hause kam und die Haustür aufschloss, blieb er abrupt stehen.
Putzmittelgeruch. Das machte ihn stutzig.
Seine
Frau war schon seit längerem dem Zusammenbruch nahe gewesen, aber vor neun
Wochen hatte der Tod ihrer Katze sie endgültig in ein tiefes Loch gestoßen,
und es war fraglich, ob sie je wiederauftauchen würde. Das war der vorläufige
Tiefpunkt eines schwierigen Jahres, das damit begonnen hatte, dass sie wegen
Johns Job beim Inquirer von New York nach Philadelphia
gezogen waren. John hatte gewusst, dass der Umzug nicht leicht für Amanda sein
würde. Sie war noch ganz durcheinander, weil sie beinahe zeitgleich ihren Buchvertrag
und ihre Agentin verloren hatte - was euphemistisch als «Wirtschaftsabschwung»
bezeichnet worden war, breitete sich zu einer Schlammlawine aus, die den
gesamten Verlag mit sich riss. Ihre Agentin war durch die Ereignisse dermaßen
enttäuscht, dass sie der Branche den Rücken kehrte, um eine Boutique für
Naturfasertextilien aufzumachen, und Amanda als literarisches Waisenkind sich
selbst überließ.
John tat
sein Bestes, um Amanda für Philly zu begeistern - wie konnte man das Essen, die
Umgebung, die Architektur dieser Stadt nicht lieben? -, aber sie ließ sich
nicht darauf ein. Sie vermisste ihre Freundinnen. Sie vermisste die Großstadt. Sie
sprach sogar sehnsüchtig von ihrer winzigen Wohnung, siebter Stock, ohne
Fahrstuhl, und schien verdrängt zu haben, dass es da von Mäusen gewimmelt
hatte. John hatte gehofft, das neue Haus im Stadtteil Queen Village mit
geschütztem Garten und privater Zufahrt würde ihre Stimmung heben, und es
kurbelte ihre Energie tatsächlich an: Sie war so entschlossen, der Niederlage
einen Sieg abzuringen, dass sie sich unverzüglich mit ihrem Laptop einsperrte,
um ihren zweiten Roman zu Ende zu bringen. Sie schrieb in völliger Zurückgezogenheit,
was John zu dem Vorschlag veranlasste, sie könne sich doch ehrenamtlich für den
Tierschutz engagieren. Er hatte darauf spekuliert, dass sie auf diese Weise
Leute kennenlernen und neue Freundschaften schließen würde, doch bedenklicherweise
war die einzige und unmittelbare Folge davon, dass sie sich in eine Katze
verliebte.
Das Tier,
ein uralter, einohriger Maine-Coon-Kater von dreiundzwanzig Pfund, machte
seinem stolzen Namen «Magnifikatz» keine Ehre. Er hatte einen Knick im Schwanz
und schuppigen Hautausschlag und war infolgedessen stellenweise kahl, was
vielleicht zu ertragen gewesen wäre, hätte er nicht darauf bestanden, zwischen
ihren Köpfen zu schlafen und nach links und rechts Tatzenhiebe zu verteilen,
wenn sie ihm nicht genug Zuwendung schenkten. Amanda verstand nicht, warum John
sich über ein paar Schuppen auf seinem Kissen so aufregte, und John wusste
nicht, wie er ihr erklären sollte, er sei zwar damit einverstanden gewesen,
ein Tier zu adoptieren, habe aber angenommen, es werde ein süßes kleines Baby
sein, kein Scheusal mit einem tränenden Auge und ständig heraushängender Zunge,
weil er keine Zähne mehr hatte, die sie drinnen hielt. Aber als acht Monate
später Magnifikatz' Nieren versagten und sie ihn einschläfern lassen mussten,
da war John genauso erschüttert wie Amanda. Sie beweinten den leeren Katzenkorb
im Auto und klammerten sich zwanzig Minuten lang aneinander fest, ehe John sich
so weit gesammelt hatte, dass er fahren konnte. Wieder zu Hause, zog Amanda die
Rollos zu, kroch ins Bett und blieb drei Tage liegen. Es machte John völlig
fertig, sie so zu sehen: Sie hatte im Umkreis von hundertfünfzig Kilometern
keine Freundinnen, ihre Karriere als Schriftstellerin war ruiniert, ihre Katze
war tot, und er konnte ihrem Leid nur hilflos zusehen. Seinem Vorschlag, sich
eine neue Katze anzuschaffen, begegnete sie mit einem entsetzten Blick, der
«Verräter» schrie. Seiner Bitte, sie möge einen Therapeuten aufsuchen, erging
es noch schlimmer, dabei
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