bK-Gruen, Sara
Formulierungen, sie haben was Ausgefallenes gekriegt.
Woher sollte ich wissen, dass das Zeug wirklich vom Stinktier war? Und warum
dann überhaupt die Geheimnistuerei?»)
Viereinhalb
Monate vergingen. Es tröpfelte eine Handvoll Absagen, dann herrschte
Funkstille. Und schließlich, an Amandas vierunddreißigstem Geburtstag, rief
ihre Agentin an. Ein Verlag hatte ein Angebot für Die
Flusskriege und für Amandas noch ungeschriebenes zweites Buch gemacht.
Der
Vorschuss war bescheiden, ermöglichte ihr aber, die Werbetexterei aufzugeben.
Zum Teufel mit chinesischem Katzenfell! Man legte ihr nahe, unter einem
Pseudonym zu publizieren, aber davon abgesehen hatte John Amanda noch nie so
glücklich gesehen. («Niemand kauft einen Roman von Amanda Thigpen», hatte ihr
Lektor erklärt. «Aber Amanda LaRue, also ...») Am Abend des Erstverkaufstags
kam bei ihnen zum ersten Mal Osietra-Kaviar auf den Tisch, und an diesem einen
Abend schien alles möglich - Bestsellerlisten, Lizenzverkäufe ins Ausland,
Filmrechte. John war noch nie so erleichtert gewesen, sich geirrt zu haben.
War die
Zeit vor dem Erscheinen von Die Flusskriege ein
Taumel aus Aufruhr und Hoffnung gewesen, so waren die Wochen danach
niederschmetternd.
Es fand
keine feierliche Buchpräsentation statt. Im Rückblick erkannte John, dass es
an ihm gewesen wäre, eine zu organisieren. Es gab kaum Rezensionen, weil das
Buch als Taschenbuch statt als Hardcover erschienen war, was John und Amanda
nicht als Nachteil erkannt hatten; im Nachhinein aber fanden sie, man hätte
sie aufklären müssen. Ihre «Lesereise» bestand aus drei Buchungen vor Ort.
John
begleitete Amanda zum ersten Termin, weil sie zu aufgeregt war, um fahren zu
können, und als er über die Gangschaltung nach ihrer Hand griff, klammerte sie
sich so fest, dass sich Nagelabdrücke in seine Handfläche gruben. Auf dem
Parkplatz machte sie ein paar Übungen in Tiefenatmung, bevor sie hineinging,
und ihre Hände zitterten so heftig, dass sie glaubte, beim Signieren nicht mal
den Stift halten zu können.
In der
Buchhandlung erwartete sie ein Halbkreis aus Klappstühlen, die vor einem
kleinen Tisch aufgestellt waren. Darauf stapelten sich Amandas Bücher neben
zwei Tintenkulis, einem Teller mit Chocolate-Chips-Cookies und einer Flasche
Wasser. Amanda setzte sich an den Tisch und wartete.
Als die
ihr zugeteilte Stunde halb um war, schlenderte ein Mann in die Mitte des
Halbkreises und setzte sich auf einen Stuhl. John stand ganz in der Nähe,
beobachtete, wie Amanda zuerst blass, dann apfelrot wurde, dann lächelte und
sich wappnete, um etwas zu sagen. Gerade als sie Luft holte, streckte der Mann
die Beine aus, verschränkte die Arme, schloss die Augen, und Sekunden später
schnarchte er. Die Farbe wich aus Amandas Wangen, und John wäre am liebsten auf
den Mann zugesprungen und hätte ihm seinen heißen Kaffee in den Schoß gekippt.
Der
Veranstalter der Lesung verbrachte den Rest der Stunde damit, mutig Kunden am
Kragen zu packen und an Amandas Tisch zu schleppen. Solchermaßen eingefangen,
nahmen sie das Buch in die Hand und taten, als läsen sie den Klappentext,
murmelten vor sich hin und guckten verlegen, bis es ihnen gelang, sich aus dem
Blickkontakt zu lösen und sich zu verdrücken. Als die Stunde um war, waren alle
Plätzchen weg und alle Bücher noch da. Amanda war kreideweiß.
Sie
bestand darauf, allein zu ihren zwei anderen Terminen zu fahren. «Oh, gut»,
sagte sie fröhlich, als John fragte, wie es beim zweiten Mal gelaufen war. Ihr
Lächeln hielt ein paar Sekunden, löste sich dann aber in schulterschüttelndem
Schluchzen auf. Nach der dritten Lesung war sie pragmatischer. «Ich bin am
Ende», verkündete sie ruhig und schüttete zu gleichen Teilen Wodka und
Orangensaft in ein Glas.
Im Laufe
der nächsten Monate kamen ein paar Verkäufe ins Ausland zustande (ihr Buch war
für kurze Zeit der Nummer-zwei-Bestseller in Taiwan, was sie nur amüsant
gefunden hätte, wenn es in den Vereinigten Staaten wenigstens irgendwo auf
einer Liste aufgetaucht wäre). Und dann waren eines Tages wie aus heiterem
Himmel Verlag und Agentin verschwunden. Obwohl es nun wirklich nicht ihre
Schuld war, überlegte sie wie besessen, was sie womöglich hätte anders machen
können. Hätte sie unter Thigpen statt LaRue veröffentlicht, hätte ihr Buch
seinen Platz in der Buchhandlung irgendwo zwischen Paul Theroux und Dylan
Thomas gehabt (in den Schriftstellerforen im Internet wurde vielfach gemutmaßt,
dass sich
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