bK-Gruen, Sara
Isabel!»
«Ich mach
jetzt die Tür zu», sagte Celia ruhig. Dann seufzte sie kopfschüttelnd. «Ob du's
glaubst oder nicht, aber dass du den Fuß in die Tür schiebst, macht nicht den
geringsten Eindruck auf die Kette.»
Isabel
guckte auf die braunen Schuhspitzen, die alles waren, was von Peter von ihrem
Beobachtungsposten aus sichtbar war. Sie erwartete halbwegs, dass er durch den
Spalt griff und Celia packte. Doch nach ein paar Sekunden verschwand der Schuh,
und Celia schloss die Tür.
«So ein
Arsch», sagte sie, während sie den Riegel vorschob. «Willst du 'n Drink?»
«Nein.»
«Aber
ich.» Celia verschwand in der Küche.
Isabel
fühlte sich ausgenutzt, betrogen und wie der letzte Idiot. Sie hatte sich viel
zu schnell auf ihn eingelassen - das erkannte sie jetzt. Die animalische
Anziehungskraft, die berauschende Mischung aus Endorphinen und Pheromonen, die
jegliches Urteilsvermögen zunichtemachte - dies alles hatte ihr das Gefühl
gegeben, beschützt zu werden, nie wieder etwas allein bewältigen zu müssen. Sie
hatte sich ihm zu schnell, zu vollständig hingegeben, und als Dank hatte er
ihre Welt kurz und klein geschlagen. Auch wenn sie nicht alles über ihre Vergangenheit
preisgegeben hatte, wusste er genug über sie, um erkennen zu können, was sein
Betrug für sie bedeutete: Er nahm ihr das Vertrauen in alles, untergrub ihren
Glauben an die Menschen. Sie wusste, dass er glaubte, sich wieder in ihr Herz
und ihr Bett schmeicheln zu können - er vertraute fest auf seine Fähigkeiten,
auf allen Gebieten, und sein Selbstbewusstsein machte einen Großteil seines
Charmes aus -, doch diesmal irrte er sich.
An dem
Tag, als Isabel mit einer provisorischen Prothese nach Hause kam - die
Titanimplantate mussten erst mehrere Monate einheilen, bevor die neuen Zähne
aufgeschraubt werden konnten -, entdeckte sie, dass der Kühlschrank praktisch
leer war. Ihre Wohnung auch; Celia war ausgezogen.
Während
ihres Besuchs waren Celias wunderliche Wohnverhältnisse etwas transparenter
geworden. Celia, Joel, Jawad und noch drei weitere Studenten bewohnten
gemeinsam ein großes, baufälliges Mietshaus in Uni-Nähe. Als herauskam, dass
Celia gleichzeitig mit drei ihrer Mitbewohner ein Verhältnis hatte (mit Joel,
Jawad und irgendeinem Mädchen), hatte es einen kurzen Machtkampf gegeben, in
dessen Verlauf Celia verkündete, wenn sie nicht damit leben könnten, wolle sie
keinen von ihnen und werde für eine Weile fremdwohnen. Insofern hatten Isabels
und ihre Lage eine perfekte Symbiose ergeben. Mittlerweile hatten die
Mitbewohner sich versöhnt, und Celia war wieder eingezogen. Isabel fragte nicht
nach Einzelheiten. Dies war nur eines von vielen Geheimnissen, die Celia
umgaben, die sich an den Bonobos in vielerlei Hinsicht ein Beispiel zu nehmen
schien. Isabel vermisste ihre Gesellschaft, weswegen sie die leeren
Vorratsschränke - wenn man von Limonen-Chutney, Dosenpfirsichen und
Instant-Nudeln absah - zum Vorwand nahm, um Celia, Joel und Jawad zum Essen
auszuführen.
Sie
trafen sich in einem kleinen veganen Restaurant namens Rosa's Kitchen. Der
Zahnprothetiker hatte Isabel gewarnt, es werde ein paar Tage dauern, bis sie
sich an die Teilprothese gewöhnt habe und deutlich sprechen könne, weshalb die
Studenten sich verschworen hatten, ihr Wörter mit s zu
entlocken. Sie brüllten jedes Mal vor Lachen, wenn sie lispelte.
Isabel
hatte ihr grünes Curry mit Auberginen halb aufgegessen, als ihr Blick in eine
abgedunkelte Ecke des Lokals fiel. Sie erkannte sofort, wer dort an einem Tisch
saß - es war einer der Demonstranten, derjenige, den Celia immer
Larry-Harry-Gary genannt hatte. Er hatte die Ellbogen aufgestützt und saß mit
zwei Männern beisammen, das Jackett seines blauschwarzen Anzugs hing über der
Stuhllehne, die Krawatte hatte er gelockert. Er war in ein Gespräch vertieft
und hatte Isabels Anwesenheit offensichtlich nicht bemerkt.
Das
Lächeln schwand aus Isabels Gesicht, ihr Blick wurde hart. «Bin gleich wieder
da», sagte sie, beugte sich vor und spuckte die Prothese in ihre Hand.
Celias
Kopf fuhr herum, um zu sehen, wohin Isabel guckte. «Uh-oh», sagte sie.
Isabel
stand auf, schob energisch ihren Stuhl zurück und ging durch den Raum.
Vor
Larry-Harry-Garys Tisch blieb sie stehen. Er hielt im Lachen inne und sah hoch.
«Kann ich was für Sie tun?», fragte er. In seinen Mundwinkeln hielt sich noch
ein Restlächeln.
«Bist du
jetzt zufrieden?», fragte Isabel mit zusammengekniffenen
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