bK-Gruen, Sara
und Rose mit Wasser, Urin,
Spucke und Schlimmerem. Ihr Wutgeschrei hallte durch den Gang, was die Stille
der anderen noch spürbarer machte. Die meisten der schweigsamen Tiere hatten
die Köpfe zur Wand gedreht, aber auch die aktiveren sahen mit stumpfem Blick
durch Isabel und Rose hindurch. Ihre Körper waren noch da, aber ihre
Lebensgeister hatten sie längst verlassen. Einigen fehlten Finger und Zehen.
Rose
folgte Isabels Blick. «Sie kauen sie aus Stress ab.»
Als sie
um eine Ecke bogen, lehnte Isabel sich an die Wand, um Atem zu holen.
Sie
wollte nicht weinen. Nicht weinen. Weinen half keinem.
Rose
wartete, bot keinen Trost. Glaubte sie, dass Isabel sich mit diesen Zuständen
abfand? Sicher nicht. Sonst hätte sie nicht versucht, beim Auffinden der
Bonobos behilflich zu sein, oder?
Als
Isabel sich gefasst hatte, gingen sie weiter. Isabel hatte das Gefühl, durch
eine Wäscherei zu gehen, aber als sie einige extragroße Frontlader-Trockner passierten,
entdeckte sie hinter den dicken Bullaugen Schimpansenbabys.
«O nein,
o nein», rief sie. Sie ging vor einem in die Knie und lehnte die Stirn an das
Glas, umfasste mit den behandschuhten Händen den Rand des Bullauges. Das Kind
dahinter, das mindestens noch vier Jahre bei seiner Mutter hätte bleiben
müssen, reagierte nicht. Es hatte jetzt schon den glasigen Blick der
Verlorenen. Isabel schluchzte ungeniert. «Warum?», fragte sie Rose. «Warum?»
Rose
reagierte mit einem abgeklärten Blick. «Sie sind da vorne.»
Isabel
folgte ihr. Wegen der Chirurgenmaske konnte sie sich nicht die Nase putzen oder
die Augen wischen; allerdings wäre das ohnehin keine gute Idee gewesen, weil
ihre Handschuhe mit Fäkalien und Spucke beschmutzt waren. Sie ging an einem
Isolationsbehälter nach dem anderen vorbei; in jedem steckte ein einsames,
infiziertes Baby.
Am Ende
des Gangs drückte Rose eine Zahlenkombination in eine Tastatur neben der Tür.
Sie ging voraus und hielt sie Isabel auf.
«Hier ist
der Quarantänebereich für die Neuzugänge. Diese sechs sind als Letzte
eingetroffen.»
Isabel
trat ein, ihr Herz klopfte, das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie blieb in der
Mitte stehen und drehte sich langsam im Kreis, bis sie die Insassen aller
Käfige gesehen hatte. Als sie den Strahl der Taschenlampe auf sie richtete,
hoben sie die Arme, um die müden Gesichter abzuschirmen. Sie rutschten auf dem
Hinterteil herum, hockten unbequem auf den Drahtböden. Ein Weibchen drückte
ihr Kind an sich und kehrte ihnen den Rücken zu.
«Nein»,
sagte Isabel. Ihr war übel vor Enttäuschung. «Nein, die gehören zur Art Pan
troglodytes. Gemeine Schimpansen. Bonobos sind schmaler, mit flacheren Zügen
und schwarzen Gesichtern.»
«Okay.»
Rose wandte sich zum Gehen.
«Warten
Sie», sagte Isabel. «Wenn sie gerade erst eingetroffen sind, woher sind sie
gekommen?»
Rose
zuckte die Achseln. «Möglicherweise aus einem Zuchtbetrieb, aber wir wissen es
nicht. Wir sind nicht mal sicher, dass alle vom selben Ort stammen; einige
könnten auch als Haustiere gehalten worden sein. Oder sie waren im Unterhaltungssektor
tätig. Obwohl - dagegen spricht, dass sie ihre Zähne noch haben und die
Männchen nicht kastriert sind.»
Isabel
sah von einem Schimpansen zum anderen. Waren sie wie Menschen aufgezogen
worden, nur um fallengelassen zu werden, als deutlich wurde, dass sie eben doch
kein putziger, pelziger Ersatz für Menschenbabys waren? Hatten sie rosa Tutus
getragen oder kleine Fahrräder gefahren, um Menschen zum Lachen zu bringen?
Oder waren sie als Gebärmaschinen missbraucht worden und hatten ein ums andere
Mal das Trauma erleiden müssen, dass ihnen gleich nach der Geburt das Kind
entrissen wurde?
«Können
wir denn gar nichts für sie tun? Ich meine ... Sie sind noch da. Ich meine,
da», sagte sie und klopfte sich mit der behandschuhten Hand an die Schläfe.
«Man sieht es in ihren Augen.»
«Nein.
Nicht heute Abend», sagte Rose. «Eines Tages, hoffe ich, aber nicht heute
Abend.»
Wieder
beim Auto, schälten sie sich aus ihrer Schutzkleidung und warfen sie in einen
Behälter hinten im Laderaum. Rose gab Isabel eine Box mit antibakteriellen
Tüchern, und obwohl sie Handschuhe getragen hatte, traute sie sich erst,
nachdem sie mehrere Tücher benutzt hatte, sich die Augen zu wischen.
Rose ließ
den Deckel des Behälters zuschnappen und schlug die Hecktür des Lieferwagens
zu. «Ich fahre Sie zu Ihrem Auto», sagte sie.
«Rose?»
«Ja?»
«Das habe
ich nicht gewusst.»
Rose
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