BKA - Die Jaeger des Boesen
dessen Vorstandschef Rohwedder, jetzt von ihm gemietet, wahrlich nicht. Zwar gingen hier viele Leute spazieren, weil ein schmaler Weg hinunterführte zum Rhein, aber die schenkten ihrer Umgebung kaum einen Blick. Genau deshalb war der Frau aus der Nachbarschaft das junge Paar aufgefallen. Der Mann und die Begleiterin schienen sich nur für das Haus von Rohwedder zu interessieren. Das aber fiel ihr erst nach dem Attentat wieder ein. Normales Verhalten. Ermittler des Bundeskriminalamtes, die nach Anschlägen wie dem auf Detlev Rohwedder im Auftrag des Generalbundesanwalts tätig werden, arbeiten erst einmal routinemäßig eine Checkliste ab: Wem ist etwas aufgefallen, was erst aus heutiger Sicht ungewöhnlich ist? Dem Bäcker? Dem Postboten? Dem Zeitungsausträger? Dem Müllmann?
Auch Hergard Rohwedder hat sich an ihr seltsam erscheinende Begebenheiten erst wieder erinnert, als sie im Krankenhaus lag und die BKA-Beamten sie dort befragten. Einige Tage vor Ostern, sagte sie ihnen, sei bei einer Anwaltskanzlei im Kaiser-Friedrich-Ring eine junge Frau erschienen mit der Bitte, mal telefonieren zu dürfen. Obwohl sie irgendwie merkwürdig, irgendwie ungewöhnlich wirkte, ließ man sie telefonieren, allerdings von einem im Büro ansonsten kaum benutzten Apparat aus. »Sofort nach dem Attentat wurde die Kriminalpolizei benachrichtigt, um gegebenenfalls Fingerabdrücke zu nehmen. Es erschien niemand. Sechs Jahre später rief einer aus der Fahndungsgruppe bei mir an, man wolle dort jetzt nachfragen und ob ich den Namen der Kanzlei noch wisse. Zur Erfolgsaussicht einer Recherche nach sechs Jahren fällt dem gesunden Menschenverstand wenig ein …« Leider gab es damals noch keine Handys, sagt mir einer der Bundesanwälte, mit denen ich mich in Karlsruhe über den heutigen Stand im Fall Rohwedder unterhalte. Denn sonst wäre es uns ein Leichtes gewesen, die Besitzer zu orten.
Mord verjährt nicht. Deshalb gibt es bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe nach wie vor ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des »Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des Mordes, des versuchten
Mordes und anderer Straftaten (Mordanschlag auf den Leiter der Treuhandanstalt, Dr. Rohwedder, und dessen Ehefrau am 1. April 1991 in Düsseldorf-Oberkassel«. Nach wie vor gehen die Ermittler des Bundeskriminalamtes davon aus, dass es mindestens zwei Täter waren.
Lebensläufe von Tätern sind beschrieben in Büchern, sind untersucht vom Kriminalistischen Institut des Bundeskriminalamtes, sind ausgeleuchtet in Fernsehdokumentationen oder Spielfilmen bis in alle Winkel des Baader-Meinhof-Komplexes. Michael Newrzella ist das letzte Opfer der Rote Armee Fraktion – und genauso vergessen wie viele andere Beamte, die in Zeiten des deutschen Herbstes im Dienst von Mitgliedern der RAF erschossen wurden.
Die Verbindungen zwischen dem, der im Juni 1993 auf Newrzella geschossen hatte und dann selbst tot auf einem Bahnsteig in Mecklenburg-Vorpommern lag, und denen, die ihn bis dorthin verfolgt und dann gestellt hatten, sind nicht nur die nun mal üblichen zwischen Polizei und Täter. Der Zufall wollte es, dass Wolfgang Grams, Mitglied der Rote Armee Fraktion, in Wiesbaden auf die Welt gekommen war. Dort, in Reichweite der für die Überwachung und Bekämpfung seiner Gesinnungsgenossen zuständigen Behörde, hatte er sich der »Sozialistischen Initiative Wiesbaden« angeschlossen. Seitdem war er bei denen, die entsprechend dem von Horst Herold aufgestellten Raster fahndeten, auf dem Bildschirm. Sie verloren ihn erst, als er 1984 in den Untergrund abtauchte. Seine Freundin Birgit Hogefeld ging mit ihm.
Neun Jahre später stellten sie das Paar auf dem Bahnhof von Bad Kleinen in Mecklenburg-Vorpommern. Zielfahnder des Bundeskriminalamtes hatten Wolfgang Grams und seine ständige Begleiterin aufgespürt, die sich in eine Ferienwohnung in Wismar eingemietet hatten, und anschließend rund um die Uhr überwacht. Der Zugriff durch Spezialisten der Antiterroreinheit GSG 9 in Zusammenarbeit mit dem BKA, bei gemeinsamen Einsätzen gegen Schwerkriminelle oft schon gelungen, geriet zum Fiasko. Der oberste Dienstherr des Bundeskriminalamtes, Innenminister
Rudolf Seiters, übernahm die politische Verantwortung für den tödlich verlaufenen Einsatz und verkündete wenige Tage später seinen Rücktritt. Andere wie Generalbundesanwalt Alexander von Stahl folgten eher unfreiwillig seinem ehrenwerten Beispiel.
Bei der gemeinsamen Aktion von
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