BKA - Die Jaeger des Boesen
harten Kern, dessen Mitglieder sich weder abschrecken lassen durch drohende Strafen,
noch Scham empfinden bei dem, was sie tun. Die sich in geschlossenen Chatrooms gegenseitig informieren, wenn einer was erfahren hat über eine neue Ermittlungstechnik der Polizei, und einander Tipps geben, wie man sich dagegen wappnen kann.
Mit Begriffen wie »Chatroom« oder »Provider«, »Posting« oder »Communitys«, »Blogging« oder »Access-Blocking« umzugehen haben auch Staatsanwälte wie Peter Vogt im Laufe der Jahre gelernt. Aber zu oft werden sie noch immer von Richtern, denen ansonsten nichts fremd ist, was in der realen Welt Menschen anderen Menschen antun, mit dem Hinweis gerügt, sich gefälligst verständlicher auszudrücken, also so, dass ein deutscher Richter verstehen könne, worum es denn geht.
»Und was haben Sie in solchen Fällen geantwortet?«, frage ich Vogt. »Ich sagte immer, Herr Richter, stellen Sie sich einen großen Supermarkt vor, in dem an der Kasse eine große Tafel steht, auf der alle möglichen Angebote stehen, vom Kinderwagen gebraucht bis zu einem Zimmer in der Wohngemeinschaft. Der den Platz zur Verfügung stellt, der Supermarkt, das ist der Host-Provider. Wer sich auf dessen Tafel mit Angebot und Nachfrage tummelt, der postet seine Wünsche. Und jetzt stellen Sie sich vor, diese Tafel gibt es nicht in der Realität, sondern im Supermarkt Internet, und da auch noch ohne Kontrolle der jeweiligen Offerten, dann werden Sie verstehen, was ich meine.« Richter, die das verstanden, ließen dann bei der Festsetzung des Strafmaßes keine falsche Milde mehr walten. Ein Angeklagter, der mehr als tausend Bilder auf der von Vogt so plastisch geschilderten virtuellen Tafel anbot, kam in Sachsen-Anhalt nicht mehr mit einer Geldstrafe davon.
Vor anderen deutschen Gerichten werden solche Täter aber immer noch zu häufig zu milde bestraft. Obwohl ein Angeklagter in Frankfurt am Main Zehntausende von Fotos mit Kinderpornografie auf der Festplatte seines Computers hatte, wurde er im September 2010 nur zu einer Bewährungsstrafe von zwölf Monaten und einer geringen Geldstrafe verurteilt. Strafmildernd sei zu berücksichtigen, so der Richter, dass der Mann erstens geständig
sei, zweitens verheiratet und drittens einen gut bezahlten Job habe. Die Antwort auf die eigentlich naheliegende Frage, was das denn zu tun habe mit seiner pädophilen Sammelwut, blieb der Richter schuldig. Nach wie vor kommen zu viele mit einer Geldstrafe davon, was nicht nur Opfervereine wie »Dunkelziffer« als »aberwitzige Rechtsprechung« beklagen, sondern was ebenso Juristen wie Peter Vogt fassungslos macht. »Ich bemängele es immer wieder, weil es fatal ist. Aber tatsächlich ist es so, dass Sexualdelikte und damit auch der mit anderthalb Seiten längste Paragraf des Strafgesetzbuches sozusagen aus dem Jurastudium ausgeklammert sind. Bei Prüfungen gibt es nie einen Vergewaltigungsfall, einen Fall von sexuellem Missbrauch, das ist quasi ein Tabu in der juristischen Ausbildung.«
Mit entsprechenden Folgen in der Praxis: Im Rahmen von Internetermittlungen fielen zwei Beamte, der eine Lehrer, der andere Zollinspektor, beide nach außen anscheinend wohlanständige Bürger, in Sachen Kinderpornografie auf. Auf ihren Computern wurde dann massenhaft gespeichertes Material gefunden. Sie hatten nicht damit gehandelt, sie hatten es sich besorgt und als Dateien runtergeladen. Beide wurden zu Geldstrafen verurteilt, und beide wurden, wie es sich gehört, aus dem Dienst entlassen. Beide klagten dagegen.
Und gewannen. Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, Aktenzeichen 2C 5.10 und 13.10, lässt »einen schaudern«, wie Richard Wagner in einem Kommentar für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« schrieb. Denn die Richter waren der Ansicht, dass eine Verurteilung wegen des einfachen Besitzes von Kinderpornografie allein nicht ausreiche für die Entlassung aus dem Dienst. Die Schwere des Vergehens stehe in keinem Verhältnis zur Schwere der Strafmaßnahme, und außerdem sei im Fall des Lehrers die Möglichkeit gegeben, dass er sich das Material aus beruflichen Gründen besorgt habe. Beim Zollinspektor hätte eine Gehaltskürzung als Strafe gereicht. Theoretisch kann der Lehrer also zum Beispiel darauf bestehen, erneut als Erzieher auf Kinder losgelassen zu werden.
Dabei gibt der Paragraf 184 c des Strafgesetzbuches klare Vorgaben für die Richter, ist trotz Juristendeutsch eigentlich unmissverständlich klar in
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