BKA - Die Jaeger des Boesen
Mütter, weil sie aus Erfahrung wissen, dass die vieles übersehen, was eigentlich nicht zu übersehen ist. Hauptsache, es ist endlich wieder ein Mann im Haus, der sich um sie und ihre Kinder kümmert. So auch hier.
Der Österreicher wurde zu neun Jahren Gefängnis und anschließender
Sicherheitsverwahrung verurteilt. »Von solchen Erfolgserlebnissen zehrt man lange«, so Hoppe, damit ließen sich die vielen Frustrationserlebnisse überstehen. Zum Beispiel, wenn sie mithören müssen, wie ein Mann, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Pädosexueller, sich mitfühlend in einem Chatroom an ein Kind heranzumachen versucht und sie bereits ahnen, dass dieses Kind sein nächstes Opfer sein wird, weil sie keine Chance haben, ihn zu enttarnen. In der Sprache der Täter und derer, die sie suchen, heißt das neudeutsch »Chat Grooming«, was dem Cyber Grooming entspricht und hier bedeutet, sich im Chat schmeichelnd an die Kinder heranzuschleichen.
Schlimmer als der tägliche Horror, den sie sich ansehen müssen, ist der, den sie hören – das Schreien, das Wimmern, das Weinen. Aber weil sie wissen, dass mit jedem Mann – und es sind in neunzig Prozent aller Fälle Männer –, den sie enttarnen, ein so um Hilfe flehendes Kind gerettet wird, halten sie aus, was eigentlich nicht auszuhalten ist. Bei einer identifizierten Seite wird automatisch der Provider aufgefordert, sie zu löschen. Das sei richtig, meint Max-Peter Ratzel, obwohl ein entsprechender Rechner ja in Uganda stehen kann. »Bis wir endlich ein Gesetz haben, ist zu sperren jedoch besser, als gar nichts zu tun. Ich weiß, dass ausgebuffte IT-Freaks solche Sperren umgehen können, aber sie wirken dennoch. Das ist wie beim Straßenverkehr. Wenn da steht ›Durchfahrt verboten‹, fahren viele lieber einen Umweg, als sich der Gefahr auszusetzen, von der Polizei erwischt zu werden.« Außerdem sei es ein deutliches Signal an die Pädosexuellen: Der Staat achtet auf die Kinder. Der Staat bekämpft euch. Der Staat ist kein Papiertiger.
Natürlich spielt auch Kommissar Zufall eine Rolle – man mag in dem Zusammenhang nicht von einem Glückstreffer sprechen – , wenn Hoppe und seine Leute bei Recherchen rein zufällig in einem Chatroom auf einen Pädophilen stoßen, der einem korrespondierenden Partner sagt, wo er wohnt und dass er drei Kinder hat. Nicht ganz so zufällig passiert es, dass der vermeintliche Pädokriminelle, der in einem Chatroom von seinen Neigungen
berichtet, in Wirklichkeit ein Ermittler aus dem Referat SO 12 ist und dann keine Zeit verliert, an die zuständigen operativen Kollegen weiterzugeben, was er soeben chattend erfahren hat. Im Gegensatz zu sorgsam geplanten kriminalistischen Einsätzen anderer Art muss man hier schnell reagieren und eingreifen, denn jeder Tag Verzögerung bedeutet, dass ein Kind fortlaufend missbraucht wird.
Bei einer anderen Ermittlung im Internet, die mit einer Festnahme endete, hatte ein Mann, bereits früher wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch angezeigt, aber mangels Beweisen nicht verurteilt, seitdem wenigstens als Verdächtiger auf dem Radar der Polizei, im Chat angegeben, er ginge regelmäßig zu einem kleinen Mädchen, um ihm vorzulesen und es bei Gelegenheit zu missbrauchen. Wie sich herausstellte, handelte es sich nicht nur um die in Chatrooms auch übliche Verbalerotik unter Pädophilen. Den Eltern des Mädchens war der Verdacht bekannt. Hoppe: »Für mich unverständlich. Die wollten offenbar die Gefahr, dass der sich wieder an dem Mädchen vergreift, nicht wahrhaben und waren froh, dass sie in ihm trotz seiner Vorgeschichte jemand hatten, der auf ihr Kind aufpasste, wenn sie ins Kino gingen oder in die Kneipe.«
Er kann sich nur an einen einzigen Kollegen erinnern, der nach vielen Jahren als Ermittler im Referat Kinderpornografie in eine andere Abteilung versetzt werden wollte. In der Gruppe arbeiten mehr Frauen als Männer. Zu ihr gehört auch eine Psychologin, die sich alle paar Monate mit den Fahndern trifft und ihnen zuhört. Gleichzeitig ist sie eine Art internes Frühwarnsystem, denn sie soll früh und rechtzeitig erkennen, ob vielleicht jemand unter der Last der Bilder zusammenzubrechen droht oder gar auf die Idee kommt, selbsttätig für Gerechtigkeit zu sorgen. Das allerdings ist noch nie passiert. Hoppe und seine Mitarbeiter machen sich keine Illusionen, denn sie wissen, wie groß das Dunkelfeld gerade beim Thema Kinderpornografie ist. Es gibt eine feste Pädophilen-Community im Netz, den
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