Black Box: Thriller (German Edition)
Frau erschießen konnte. Obwohl sie sich nicht als Polizistin zu erkennen gegeben oder den Angreifer aufgefordert hatte, die Waffe fallen zu lassen, sagte ihr Holodnak, sie habe richtig und vorschriftsmäßig gehandelt. Er deutete auf ein Whiteboard an der Wand, auf dem verschiedene Schussdiagramme abgebildet waren. Aber an seinem oberen Rand stand in großen Großbuchstaben nur ein Wort: IDOL .
»
Immediate
defense of life: sofortiger Schutz von Leben«, sagte Holodnak. »Du handelst also vorschriftsmäßig, wenn das Ziel deines Eingreifens sofortiger Schutz von Leben ist. Das kann dein Leben sein oder das einer anderen Person. Das spielt keine Rolle.«
»Okay.«
»Eine Frage habe ich allerdings noch. Wie hast du eingeschätzt, was du gesehen hast? Was ich damit meine, ist: Wieso bist du zu der Ansicht gelangt, dass hier eine Lehrerin von einem Kriminellen bedroht wurde? Woher wusstest du, dass nicht die Frau die Böse war, die gerade von einem Lehrer entwaffnet worden war?«
Bosch hatte denselben spontanen Schluss gezogen wie seine Tochter. Es war rein instinktiv geschehen. Er hätte genau wie sie sofort geschossen.
»Hm«, sagte Maddie. »Wegen ihrer Kleidung. Er hatte sein Hemd raushängen, und das hätte ein Lehrer, glaube ich, nicht. Und sie hatte eine Brille und die Haare hochgesteckt wie eine Lehrerin. Ich habe gesehen, dass sie ein Gummiband um ihr Handgelenk hatte, und ich hatte mal eine Lehrerin, bei der das auch so war.«
Holodnak nickte.
»Das hast du alles völlig richtig gesehen. Mich hat nur interessiert, wie du zu dieser Einschätzung gelangt bist. Wirklich erstaunlich, wie viel der menschliche Verstand in so kurzer Zeit verarbeiten kann.«
Sie machten weiter, und Holodnak versetzte Madeline in eine ungewöhnliche Situation, in der sie, was bei Ermittlern häufig der Fall ist, in einem Passagierflugzeug unterwegs war. Sie war bewaffnet und saß auf ihrem Platz, als plötzlich zwei Reihen vor ihr ein Passagier aufsprang, einer Flugbegleiterin den Arm um den Hals schlang und sie mit einem Messer bedrohte.
Madeline stand auf, hob ihre Waffe, gab sich als Polizistin zu erkennen und forderte den Mann auf, die schreiende Frau loszulassen. Der Mann drückte seine Geisel jedoch nur fester an sich, um sie als Schutzschild zu benutzen, und drohte, sie mit dem Messer zu verletzen. Andere Passagiere gingen schreiend in Deckung. Schließlich versuchte sich die Stewardess loszureißen und löste sich ein Stück von dem Mann mit dem Messer. Madeline schoss.
Und die Flugbegleiterin sank zu Boden.
»Scheiße!«
Bestürzt ließ sich Madeline vornüber sinken. Der Mann auf dem Bildschirm brüllte: »Na, was ist, noch jemand?«
»Madeline!«, rief Holodnak. »Ist es schon vorbei? Ist die Gefahr gebannt?«
Maddie merkte, dass sie einfach abgeschaltet hatte. Sie richtete sich auf und gab fünf Schüsse auf den Mann mit dem Messer ab. Er stürzte zu Boden.
Die Lichter gingen an, und Holodnak stand von seinem Computer auf.
»Ich hab sie umgebracht«, stieß Maddie hervor.
»Darüber werden wir jetzt reden«, sagte Holodnak. »Warum hast du geschossen?«
»Weil er sie umgebracht hätte.«
»Richtig. Es fällt unter IDOL – sofortiger Schutz von Leben. Hättest du dich anders verhalten können?«
»Keine Ahnung. Er hätte sie umgebracht.«
»Musstest du aufstehen und deine Waffe zeigen und dich zu erkennen geben?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht.«
»Das war dein Vorteil. Er wusste nicht, dass du Polizistin bist. Er wusste nicht, dass du bewaffnet bist. Dadurch, dass du aufgestanden bist, hast du das Ganze forciert, und sobald du deine Waffe gezogen hast, gab es kein Zurück mehr.«
Maggie nickte und ließ den Kopf sinken, und plötzlich bereute Bosch, ihr das Simulatortraining ermöglicht zu haben.
»Nur zu deiner Beruhigung, Mädchen«, fuhr Holodnak fort. »Du hast besser abgeschnitten als die meisten Polizisten, die hier trainieren. Deshalb machen wir jetzt noch eine Situation und beenden die Stunde mit einem positiven Ergebnis. Vergiss mal alles schnell wieder und mach dich bereit.«
Er kehrte an den Computer zurück, und Maddie absolvierte eine weitere Übung, einen Zwischenfall nach Dienstschluss, bei dem sie von einem bewaffneten Autodieb angegriffen wurde. Als er seine Pistole zog, streckte sie ihn mit einem gezielten Schuss nieder. Keinen Gebrauch von der Schusswaffe machte sie dagegen, als plötzlich ein Passant auf sie zugerannt kam und, wild mit seinem Handy fuchtelnd, zu
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